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Stilvollendet: Simon Schwartz, hier in seinem Atelier, trägt immer klassische Herrenmode.

© Maja Hithi/dpa

Comiczeichner Simon Schwartz: Nostalgie mit Mehrwert

In seinen Arbeiten verbindet der Hamburger Comicautor Simon Schwartz Hoch- und Popkultur, große Geschichte und subjektive Erfahrung. In Kürze erscheint sein drittes Buch „Vita Obscura“. Ein Porträt.

„Wenn Michael Jackson schon 100 Jahre tot wäre, würde er perfekt in mein Buch passen. Aber ich glaube, es braucht ein bisschen Abstand, um das Besondere zu erkennen.“ Der Comicautor Simon Schwartz hat einen Blick für das Abseitige. Ein Obdachloser, der sich für den Kaiser von Amerika hält, ein It-Girl, das tragisch endet, eine Königin, die schnell wieder vom Thron gestoßen wird - solche Figuren bevölkern seine Comicstrips „Vita Obscura“. Ursprünglich für die Wochenzeitung „der Freitag“ als fortlaufende Serie entstanden, erscheinen die Bildgeschichten im März im avant-Verlag als Buch. Dafür sammelte Simon Schwartz obskure Lebensläufe aus mehreren Jahrhunderten. Inspiration fand er beiläufig - bei Gesprächen mit Freunden, auf dem Flohmarkt, auf Wikipedia. Seine Protagonisten wirken aus der Zeit gefallen. Wie Michael Jackson eben.

„drüben!“ verarbeitet die Ost-West-Familiengeschichte des Zeichners

Im Gegensatz zu seinen Figuren war der 31-jährige Comicautor zur richtigen Zeit am richtigen Ort. „So viel wie jetzt war noch nie im deutschen Comic los“, meint der Absolvent der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. 2004 zog er von Berlin nach Hamburg, um hier zu studieren. Seine Abschlussarbeit wurde zu seinem ersten Buch. Sein Debüt „drüben!“ erschien 2009: „Als ich «drüben!« rausgebracht habe, war das Feuilleton schon viel offener für Comics, als wenn ich das zwei Jahre vorher gemacht hätte.“ In „drüben!“ erzählt Schwartz seine Familiengeschichte. Es ist die Geschichte seiner Eltern, die in den 80er Jahren mit dem kleinen Simon die DDR verließen und so von Erfurt nach Berlin-Kreuzberg kamen. Und die seiner Großeltern, die, als Juden im Nationalsozialismus verfolgt, die DDR immer für den besseren deutschen Staat hielten. Der Kontakt zwischen Großeltern, Kindern und Enkelkind riss für Jahre ab.

Bis auf diese Erfahrung verlief Schwartz' Leben geradlinig. Wenn er sein eigenes Leben als Comicautor zeichnen müsste, dann könnte es vielleicht so aussehen: Ein kleiner Junge sitzt an einem Kinderschreibtisch in einer Kreuzberger Wohnung, liest Asterix-Hefte und zeichnet - hauptsächlich Cowboy-Comics. Nächstes Bild: Eine Hamburger Ateliergemeinschaft zwischen Reeperbahn und Hafen, derselbe alte Kinderschreibtisch, daran sitzt ein junger, elegant gekleideter Mann und zeichnet immer noch. „drüben!“ ist mittlerweile Schullektüre.

„Packeis“ erzählte vom vermutlich ersten Menschen am Nordpol

„Ich arbeite gerne mit filmischen Mitteln. Überblendungen würden im Film fast schon ein bisschen nervig wirken. Im Comic ergibt das aber schöne Effekte“, erklärt Schwartz. Den Schreibtisch, an dem er immer noch arbeitet, hat sein Vater gebaut. Er ist ihm treu geblieben, ebenso wie seinem Berufswunsch. Denn Comiczeichner wollte er immer werden. Frühkindliche Prägung in der Künstlerfamilie sei das gewesen: „Wenn ich Anlagenberater geworden wäre, wäre ich enterbt worden.“ Seine Eltern, Vater Maler, Mutter Restauratorin, förderten diesen Wunsch. In der Familie seiner Freundin würden alle immer Fahrrad fahren oder irgendetwas Aktives machen, wenn sie zusammenkämen, erzählt Schwartz. Wenn seine Familie sich sähe, würde sich jeder in sein Zimmer setzen, malen, schreiben oder zeichnen und alle wären glücklich.

Ab März im Buchhandel: Das Cover von "Vita Obscura".
Ab März im Buchhandel: Das Cover von "Vita Obscura".

© Avant

Sein Thema hat Simon Schwartz gefunden. Es liegt im Historischen: „Vielleicht ist es ein Hauch Nostalgie, der mich daran interessiert. Aber die Geschichte muss immer einen Mehrwert haben.“ Auf „drüben!“ folgte „Packeis“, die Geschichte des Afroamerikaners Matthew Henson, des vermutlich ersten Menschen auf dem Nordpol. Aufgrund seiner Hautfarbe wurde ihm aber nie Anerkennung zuteil. Auch eine „Vita Obscura“. Im Moment arbeitet er an seinem nächsten Buch, den Arbeitsethos habe er von seiner Professorin, der Künstlerin Anke Feuchtenberger, übernommen. Diesmal wird die Geschichte im Zeitraum von 1918 bis 1984 spielen, düsterer soll es werden, surrealistischer als seine bisherigen Arbeiten.

Simon Schwartz spielt Saxofon, liebt Blues und Soul und trägt immer klassische Herrenmode - Anzug und Krawatte, gerne Schiebermütze oder Hut. Kein typisches Outfit für einen jungen Comiczeichner mit Atelier an der Reeperbahn. Aber: „So ist man immer passend angezogen und vielleicht hat der Stil auch ein kleines bisschen mit Nostalgie zu tun.“ (dpa)

Anna Mayrhauser

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