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Abschied und Neuanfang. Eine Szene aus „Das unabwendbare Altern der Gefühle“.

© Splitter

Das Glück der späten Jahre: Erst die Rente und dann?

Zidrous und Aimée de Jonghs Comic „Das unabwendbare Altern der Gefühle“ erzählt vom Neuanfang in fortgeschrittenem Alter.

Das war’s dann wohl: „Ich hatte keine Wahl, Ulysses“, erklärt ihm sein Chef. „Die anderen Männer haben noch Kinder in der Ausbildung, Hypotheken…“ Also muss Ulysses, eine der beiden Hauptfiguren in der Comic-Erzählung „Das unabwendbare Altern der Gefühle“, mit 59 Jahren seinen Job als Möbelpacker an den Nagel hängen.

Und jetzt? Jetzt fängt das Leben richtig an, behauptet die Werbung. Doch nach einer Weile fragt sich Ulysses: Welches Leben? Kein Job, keine Frau, die Kinder sind aus dem Haus und haben nie Zeit. Was gibt es da noch zu tun? Zumal man mit 59 körperlich nicht so fit für das fidele Rentnerleben ist, wie man es sich als junger Mann vorgestellt hat.

„Wie oft habe ich beteuert, endlich das Leben in vollen Zügen genießen zu können“, sinniert Ulysses. „Bloß nicht zugeben, dass einen die Zeit nach und nach aufzehrt... Ruhestand? Leicht gesagt! Es fühlt sich an wie nach einem vernichtenden Rückzugsgefecht!“

Es beginnt mit einem Gespräch über Käse

Dann ist da noch Mediterranee, Ex- Model, 62 Jahre und genervt vom Alter. Ein abgearbeiteter Körper ist kein schöner Anblick. Schon gar nicht, wenn man ihn nackt im Spiegel sieht – erst recht nicht für ein Ex-Model. Und dass junge Menschen im Bus aufstehen, um ihr einen Platz anzubieten, ist eine nette Geste, kommuniziert aber am Ende auch nur, dass man jetzt zum alten Eisen gehört.

In einer Arztpraxis lernt sie Ulysses kennen. Die beiden kommen ins Gespräch. Über Käsesorten. Damit kennt Mediterranee sich aus. Sie betreibt einen kleinen, vom Vater geerbten Laden. Und lädt Ulysses zum Probeessen.

Alles auf Anfang: Eine Szene aus „Das unabwendbare Altern der Gefühle“.
Alles auf Anfang: Eine Szene aus „Das unabwendbare Altern der Gefühle“.

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Und damit beginnt eine Romanze, die Texter Zidrou (alias Benoît Drouise) so gefühlvoll wie bereits in seinen Alben „Die Adoption“, „Merci“ und „Lydie“ in Szene setzt. Nach Pascal Rabatés „Bäche und Flüsse“ wieder mal ein Comic, der der Frage nachgeht, ob es tatsächlich ein Leben nach der Rente gibt.

Im Gegensatz zu Rabaté geht Zidrou seine Geschichte ruhiger und nicht ganz so anarchisch an. Die Antwort auf die Frage ist allerdings in beiden Fällen gleich: Kommt darauf an, was man daraus macht. Die holländische Zeichnerin Aimée de Jongh packt die Geschichte in Aquarelle mit leicht gedämpfter Kolorierung.

Das passt zur Handlung und bringt Ruhe auf die Seiten. Ein Album, das sich zwar gelegentlich in Rollenklischees verheddert, aber ohne sentimentalen Kitsch auskommt und wie immer bei Zidrou auch einiges an Situationskomik zu bieten hat.
Zidrou / Aimée de Jongh: Das unabwendbare Altern der Gefühle, Splitter, 144 S., 19,80 €

Das Titelbild des besprochenen Buches.
Das Titelbild des besprochenen Buches.

© Splitter

Peter Hetzler

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