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Härten des Alltags: Eine Szene aus dem besprochenen Buch.

© Knaus

„Der Araber von morgen“ von Riad Sattouf: Zwischen den Kulturen

Im zweiten Band von „Der Araber von morgen“ taucht Riad Sattouf tiefer in den Alltag in der arabischen Welt ein - erneut ein lehrreiches wie intellektuelles Vergnügen.

Der erste Schultag kann ein tolles Erlebnis sein. Oder ein Alptraum. Für Riad Sattouf läuft es jedenfalls denkbar schlecht. Die Nacht unruhig geschlafen, der Vater schlecht gelaunt, das Wetter mies. Und dann ist er noch zu spät dran. Ganz abgesehen davon, dass der kleine Riad optisch so gar nicht in eine syrische Dorfschule passt. Die Haare blond wie eine kalifornische Schauspielerin, dazu eine Kleinmädchenstimme. Wenn er wenigstens die Sprache beherrschen würde. Doch Riads Vater ist unerbittlich. Der Araber von morgen geht zur Schule, ohne wenn und aber.

Mit der detailierten Beschreibung dieses Horrortags beginnt der jetzt auf Deutsch erschienene zweite Band von „Der Araber von morgen“, Riad Sattoufs autobiografischer Graphic Novel über seine Kindheit im Nahen Osten. Und der Zeichner macht dort weiter, wo der mit mehreren Preisen ausgezeichnete erste Teil endete.

Nach Stationen in Frankreich und Libyen kehrt die Familie nach Syrien zurück, in die Heimat des Vaters. Für den Jungen ist das der Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Denn für ihn steht fest: Ich will trotz aller Widrigkeiten ein echter Araber werden. Doch das ist alles andere als einfach.

Immer wieder wird der blonde Junge als Jude beschimpft

Dem Zeichner und Filmemacher Sattouf gelingt mit der Fortsetzung seiner Erzählung wieder etwas Besonderes: Er blickt so elegant wie eindringlich auf seine frühe Jugend zurück. Beschreibt, wie schwierig es für ihn war, sich in der Fremde zurechtzufinden.

Mit großen Kulleraugen betrachtet der kleine Riad den Alltag in der arabischen Welt der achtziger Jahre. Staunt über den Personenkult um Syriens Herrscher Hafez al Assad, die Mangelwirtschaft, den Nationalstolz und die Suren des Koran. Text und Bilder sind dabei bewusst naiv gehalten. Genau das macht die Lektüre zu einem lehrreichen wie intellektuellen Vergnügen – Schmunzeln inklusive.

Fortsetzung folgt: Der Autor als Kind samt Familie auf dem Buchcover.
Fortsetzung folgt: Der Autor als Kind samt Familie auf dem Buchcover.

© Knaus

Dabei spart der zweite Band die Härten des Alltags nicht aus, macht keinen Bogen um Vorurteile, die in der arabischen Welt verbreitet sind. So wird Riad, dessen Mutter Französin ist, immer wieder als Jude beschimpft. Auch der Hass auf Israel scheint schon damals fest verwurzelt gewesen zu sein. Auf dem Nachhauseweg spielen die Kinder vor allem Krieg gegen den jüdischen Staat.

Und dann ist da noch die tiefe Kluft zwischen den Kulturen. Der Sechsjährige bekommt das vor allem in der Dorfschule zu spüren. Wer im Unterricht nicht spurt, wird von der fülligen Lehrerin mit dem Stock geschlagen. Auf dem Pausenhof werden die Schwachen drangsaliert. Riad dagegen setzt auf Empathie und Solidarität. Und ist damit auf sich allein gestellt. Nicht nur ein Sechsjähriger wirkt da hilf- und ratlos. Vor allem, wenn jemand einem vermeintlichen Ehrenkodex zum Opfer fällt, der Täter aber fast ungeschoren davon kommt. Fortsetzung folgt.

Riad Sattouf: Der Araber von morgen. Eine Kindheit im Nahen Osten (Teil 2, 1984-1985). 158 Seiten, Knaus Verlag München 2016. 19,99 Euro.

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