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Unter Rechtfertigungsdruck: Eine Doppelseite aus „Hattest du eigentlich schon die Operation?“.

© Jaja

Erlebnisse von trans Menschen als Comic: Jenseits von männlich und weiblich

Peer Jongeling erzählt im Comic „Hattest du eigentlich schon die Operation?“, welche Schwierigkeiten trans Menschen begegnen und wirbt für mehr Offenheit.

Eigentlich wollte Ari nur einen schönen Abend auf einer Party verbringen. Und dann geht es doch nur um das eine Thema, das Ari wieder einmal unfreiwillig in den Mittelpunkt des Geschehens rückt: das Geschlecht.

Die Gäste wollen wissen, ob Ari ein Mann oder eine Frau ist und stellen intime Fragen: „Wie ist denn dein alter Name?“, „Hattest du die OP schon?“ oder „Kannst du dir deine Penislänge aussuchen?“ Einige haben sogar eine Wette abgeschlossen. Aris Antwort, genderfluid zu sein, setzt den Spekulationen kein Ende.

Das ist nur eine von vielen Situationen, die trans Menschen im Alltag erleben – in einer Gesellschaft, die durch heteronormative Denkmuster geprägt ist.

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Peer Jongeling hat verschiedene Geschichten und Erlebnisse von trans Menschen gesammelt – sowohl von anderen als auch eigene – und diese unter dem Titel „Hattest du eigentlich schon die Operation?“ zu seiner ersten Graphic Novel verarbeitet. Diese ist nun im Jaja-Verlag erschienen (36 S., 11 €), neben „Küsse für Jet“ von Joris Bas Backer über einen trans Jugendlichen ein weiterer Comic mit dem Schwerpunkt Transgender.

Nachfragen erwünscht

Peer Jongeling selbst ist den Weg der Transition, also Geschlechtsangleichung, von der Frau zum Mann gegangen, wie er auf seiner Internetseite schreibt.

Mit dem Comic wolle er anderen Menschen einen besseren Einblick in das Thema Transidentität geben.

So richtet er sich damit vor allem auch an unwissende Leser und nimmt diejenigen gewissermaßen an die Hand, die damit bislang weniger vertraut sind.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Jaja-Verlag

Dass das auf so erfrischende und offene Weise gelingt, liegt auch daran, dass Jongeling pointiert und in heiterem Ton an die komplexe Thematik heranführt.

So klärt er zunächst einmal einige Begrifflichkeiten, wie nicht-binär oder genderfluid, also weder komplett männlich noch weiblich. Und er vermittelt den Lesern, dass fragen okay, ja sogar gewünscht ist, wenn es nicht zu direkt und persönlich wird.

Mit Schuhgröße 48 in der Damenabteilung

Anschaulich schildert der Comic dann in mehreren kurzen Szenen, welche Schwierigkeiten trans Menschen im Alltag begegnen. Vier Protagonisten spielen die Hauptrollen.

Auch wenn die Charaktere fiktiv sind, beruhen die Geschichten auf wahren Begebenheiten. Zum Beispiel, wenn Ari für einen Mann gehalten wird und im Wartezimmer vor allen anderen von der wenig feinfühligen Gynäkologin bloßgestellt wird. Paul eine Personenstands- und Namensänderung erwirken möchte, dafür aber die intimen Fragen von zwei Gutachtern über sich ergehen lassen muss. Oder Lilly mit Schuhgröße 48 in der Damenabteilung nicht weit kommt. Außerdem werden verschiedene Fragen beantwortet, wie über die Möglichkeiten für trans Menschen, eigene Kinder zu bekommen.

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Auch wenn der Hintergrund oft ernst ist, bringt der Künstler mit humorvollen Bildern in Dunkeltürkis, entstanden im Risodruckverfahren, viel Leichtigkeit in die Lektüre. Die Figuren, oft mit wenigen Strichen skizziert, wirken nahbar und sympathisch, erleichtern so die Identifikation. Dazu trägt ihre ausgeprägte Mimik mit den breiten Mündern und großen, runden Augen genauso bei wie ihre zuweilen drollige Erscheinung.

Ob Frau, Mann, die Transition von einem zum anderen oder beides: Mit seinem Comic sensibilisiert Peer Jongeling dafür, dass Geschlecht über binäre Kategorien wie männlich und weiblich hinausgeht.

Bei all den Geschichten schimmert der Wunsch durch, nicht nur auf äußerliche Merkmale reduziert, sondern als Mensch mit seinem Anderssein respektiert zu werden. „Geschlecht ist mir total egal“, sagt einer der Protagonisten in einer Szene.

Peer Jongelings Graphic Novel-Debüt ist ein Plädoyer für mehr Offenheit und Verständnis gegenüber anderen Menschen, ganz unabhängig vom Geschlecht.

Birte Förster

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