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© Illustration: Rusell/Panini

Gruselmärchen: Coraline im Wunderland

Krieg der Knopfaugen: Neil Gaimans „Coraline“ ist der seltene Glücksfall einer doppelt gelungenen Romanadaption - als Graphic Novel und jetzt auch als Kinofilm.

Hinter der alten Tür liegt das Reich der Verheißung. Als das Mädchen Coraline mit seinen Eltern in ein neues Haus einzieht, langweilt es sich. Ihre Eltern haben keine Zeit für sie, also beginnt sie auf eigene Faust, ihre neue Umgebung zu erkunden. In einem leer stehenden Zimmer entdeckt sie den Durchgang in eine andere Welt. Auf den ersten Blick scheint sie ihrer vertrauten Umgebung zu ähneln, sogar ihre Eltern sind dort – oder zumindest zwei Wesen, die ihren Eltern ähneln. Wenn sie nicht statt der Augen schwarze Knöpfe hätten, sich im Gegensatz zu den leiblichen Eltern rührend um Coralines Wohlbefinden sorgten – und das Mädchen gar nicht mehr gehen lassen wollen.

So beginnt eine der bemerkenswertesten, schönsten und gruseligsten Märchengeschichten der vergangenen Jahre, die nach dem Debüt als (im englischen Original von Dave McKean illustrierter) Roman des Fantasy-Dauerbestsellerautors Neil Gaiman (hier geht es zu seiner deutschen Website) nun gleich zwei Mal als Adaption vorliegt: Als Comic-Buch und als animierter Trickfilm. Die Welt, die Coraline hinter der geheimnisvollen Tür entdeckt, ist voller Magie, ein wenig erschreckend, aber auch voller Glücksversprechen. Alles ist eine Spur bunter, verrückter und überdrehter als auf der anderen Seite der Tür. Und die beiden Geschöpfe, die sich als ihre „neue Mutter“ und der „neue Vater“ vorstellen, überhäufen sie mit Liebe und Geschenken.

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Noch eine andere Mutter. Eine der Illustrationen, die Dave McKean zu der englischen Romanfassung des Buches beisteuerte. In der deutschen Ausgabe des Romans fehlen seine Zeichnungen allerdings.

© Illustration: McKean

Fast fühlt sich Coraline versucht, in dieser Welt ganz zu verweilen – wenn da nicht die Bedingung wäre, die sie dafür erfüllen müsste: sich wie ihre Gasteltern zwei Knöpfe an Stelle der Augen annähen zu lassen.

Kürzlich kam der in Stop-Motion-Technik mit beweglichen Puppenfiguren aufgenommene, zauberhaft anzusehende und besonders in der 3-D-Fassung sehr zu empfehlende Film von Regisseur Henry Selick („The Nightmare Before Christmas“) in die deutschen Kinos - eine ausführliche Rezension gibt es hier. Passend dazu veröffentlicht der Panini-Verlag die Comic-Übertragung von P. Craig Russell, die kürzlich ganz zu Recht erneut mit einem der renommierten Eisner Awards ausgezeichnet wurde – wenngleich die damit verbundene Kategorisierung als Jugendbuch zumindest diskussionswürdig ist, denn als Graphic Novel ist „Coraline“ ein Meisterwerk, das Comic-Leser jeden Alters ansprechen dürfte, die bereit sind, sich mit einem kleinen Mädchen auf eine Traumreise zu begeben, die an Alice im Wunderland erinnert.

Nach ihrer Rückkehr in die vertraute Welt diesseits der geheimnisvollen Tür will Coraline nichts mehr mit der anderen Welt zu tun haben. Aber dann sind ihre Eltern verschwunden, und durch eine mysteriöse Verkettung unheimlicher Ereignisse wird Coraline tiefer und tiefer in die phantastische Alptraumwelt hineingezogen.

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Hereinspaziert. Coraline und ihre Begleiter im Film.

© promo

Am Schluss geht es nicht nur für sie um Leben und Tod, sondern auch für ihre Eltern und eine Gruppe anderer Kinder, die vor ihr die Welt hinter der geheimnisvollen Tür erkundet hatten. Um sie zu retten, lässt sich Coraline auf eine verhängnisvolle Wette mit der knopfäugigen Herrscherin über die Parallelwelt ein.

Die realistisch gehaltenen, nur selten ins Expressive kippenden Zeichnungen, mit denen Comic-Altmeister P. Craig Russell (der auch mehrere „Sandman“-Episoden Gaimans zeichnete) Coralines Alptraum-Odyssee umsetzt, passen hervorragend zu dem sachlichen, sprachlich nüchternen Erzählstil Gaimans. Die Handlung entwickelt fast wie aus sich selbst heraus genug subtilen und dann zunehmend packenden Horror, sodass bis auf wenige Ausnahmen keine übertriebenen zeichnerischen oder sprachlichen Dramatisierungen nötig scheinen.

Ein Comic-Meisterwerk, das im Windschatten des Films einer der Bestseller der Saison werden dürfte – auch wenn Film und Graphic Novel in diesem Fall nicht – wie leider viel zu oft -

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Nachtgestalten. Cover der deutschen Hardcover-Ausgabe, die wir drei Mal unter unseren Lesern verlosen.

© Illustration: Russel/Panini

optisch direkt aufeinander Bezug nehmen, sondern glücklicherweise zwei ganz eigene Formen gefunden haben, um Coralines Abenteuer umzusetzen.

Neil Gaiman/P. Craig Russell: Coraline, 196 Seiten, Hardcover 29,95 Euro, Softcover 19,95 Euro,
Panini-Verlag.


Hinweis: Unsere Verlosung ist beendet, die Sieger werden per Post benachrichtigt.

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