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© Illustration: Powell/Cross Cult

Interview: „Das ist mein Gossenhumor“

Die Horror-Comedy-Serie „The Goon“ ist blutrünstig, wahnwitzig und schwer nostalgisch. Ihr Schöpfer Eric Powell spricht im Interview über seine Liebe zu alten Zeiten und den in Arbeit befindlichen Film zum Comic.

Tagesspiegel: Eric Powell, als Sie kürzlich in Deutschland waren, haben Sie sich auf Ihrer Website sehr über ein Foto von einem deutschen Verkehrsschild amüsiert, auf dem stand: „Ausfahrt freihalten!“ Was ist denn daran witzig?

Eric Powell: Auf Englisch klingt das Wort „Ausfahrt“ wie „ass fart“ - Arschfurz. Über solche Dinge kann ich mich köstlich amüsieren. Das ist mein Gossenhumor.

Dieser Humor ist ja auch typisch für Ihre zum Bestseller avancierte Serie. Wenn Sie draran arbeiten: Was ist zuerst da, Bild oder Text?

Die meisten Ideen kommen als Bilder zu mir. Ich bin eben ein Illustrator und denke in Bildern. Ich stelle mir manchmal einzelne Bilder vor, manchmal ganze Szenen. Die arbeite ich dann in einzelne Bilderfolgen um und schreibe erst dann die Dialoge.

Wo kommen Ihre wahnwitzigen Bildideen her?

Vieles davon träume ich, manches kommt einfach so beim Arbeiten. Die meisten Ideen kommen in der Nacht zu mir.

Irre Monsterfantasien und überbordende Gewaltorgien - das steckt alles in Ihrem Kopf drin?

Manches entsteht auch durch Gespräche mit meinem Redakteur. Und hin und wieder erzählen mit Freunde schräge Anekdoten, die ich benutze. Das meiste kommt aber tatsächlich aus meinem Kopf.

Zeichnerisch strotzt die Serie vor unterschiedlichen Stilformen. Mögen Sie sich nicht festlegen?

Ich experimentiere einfach gerne mit unterschiedlichen Darstellungsformen, sonst würde ich mich irgendwann langweilen. Deswegen verwende ich doch immer wieder andere Techniken. Ich hasse es, ständig das gleiche zu machen und will mich nicht auf eine Technik beschränken müssen.

Zugleich wirken Ihre Arbeiten heute konzentrierter. Sie scheinen inzwischen weniger Striche als noch am Anfang zu benötigen, um etwas auszudrücken. Wieweit sind das bewusste Entscheidungen, oder entwickelt sich so etwas einfach mit der Zeit?

Beides. Man verfeinert als Künstler eben mit der Zeit seinen Stil. Am Anfang probiert man alles einmal aus, später lernt man dann die Wirtschaftlichkeit der Linienführung zu schätzen. Man entwickelt ein Gefühl dafür, wie man Dinge mit einem Strich ausdrücken kann, für die man früher noch mehrere Striche brauchte. Mein Ziel ist, möglichst viel auszudrücken, indem ich möglichst wenig Details zeichne. Meine Lieblingskünstler sind diejenigen, die einen schwarzen Tintenklecks wie ein Gebäude aussehen lassen. So wie Will Eisner: Ein Farbklecks und ein paar Striche, und es sieht wie die Skyline von New York aus.

Die Welt Ihres Zombiejägers Goon scheint irgendwo zwischen Mittelalter und 1950er Jahren angesiedelt zu sein. Sind Sie ein Nostalgiker?

Ja, die Zeit zwischen den 20er und den 50er Jahren spricht mich ästhetisch besonders an. Dinge aus jener Epoche zu zeichnen, finde ich viel interessanter als moderne Sachen. Dieses Unpolierte, dieses Übergangshafte gegen Ende der industriellen Revolution, diese dicken, klobigen Maschinen. Und dann dieser sich langsam herauskristallisierende Stil, diese Autos mit geschwungenen Form, dieses an Raketen erinnernde Design, diese Mischung aus Art Déco und Verfall… das liebe ich. Auch die Anzüge, die Kleider, die Hüte jener Zeit sehen einfach fantastisch aus. Ich liebe auch Filme aus jener Zeit, alte Hollywood-Dramen mit starken Schwarz-Weiß-Kontrasten – wunderbar! Dennoch will ich mich zeitlich nicht festlegen, deswegen habe ich die Geschichte in einer undefinierten Zeit angesiedelt, damit ich mich aus allen Epochen je nach Belieben bedienen kann.

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Vielseitig. Powell kombiniert gerne unterschiedliche Stile, wie auf dieser Seite aus dem zweiten Band.

© Illustration: Powell/Cross Cult

Seit langem schon gibt es Überlegungen, den Goon auch ins Kino zu bringen. Was ist der Stand der Dinge?

Ich habe gerade das Drehbuch fertiggestellt. Und eine Animationsfirma arbeitet an den ersten Testszenen. Es scheint bislang alles glatt zu laufen. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass das Projekt irgendwann das Tageslicht sieht. David Fincher als Produzent dabeizuhaben, hilft sehr, das Projekt voranzubringen.

Welche Elemente aus den Büchern werden im Film verarbeitet?

Ich nehme die allgemeine Geschichte als Grundlage und kombiniere Elemente aus verschiedenen Teilen der Serie in ein filmtaugliches Format. Als Comic ist die Serie eher episodenhaft aufgebaut, das würde im Film nicht funktionieren. Deswegen wird es eine mehr durchgehend erzählte Geschichte werden. Aber David Fincher und die beteiligten Firmen vertreten unerschütterlich die Ansicht, dass sie den Comic so genau wie möglich umsetzen wollen. Wir hatten ein Treffen, bei dem ich vorschlug, dass man doch hier und da noch Sachen ändern sollte, damit es im Film funktioniert, und sie sagten: Nein, das ist nicht im Comic, das machen wir nicht. Es ist eine großartige Erfahrung, mit denen zu arbeiten, weil die alles dransetzen, die Figuren und den Geist des Comics so genau wie möglich auf die Leinwand zu übertragen. Das ist bei anderen Verfilmungen nicht der Fall: Oft wollen Leute nur eine Marke kaufen und dann etwas völlig anderes daraus machen und all das Leben aus dem Ursprungswerk raussaugen. Sie töten alles, was das Werk am Anfang interessant machte. Als ich das Drehbuch schrieb, habe ich das genauso geschrieben, wie ich einen Comic schreiben würde. Es ist dieselbe Art von Dialogen, der gleiche Humor…

Auch die gleiche Portion roher Gewalt? Ihr Comic ist immerhin so blutrünstig wie nur wenige andere. Gibt es bei der Verfilmung irgendwelche Grenzen?

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Nachtaktiv. Eric Powell vor kurzem bei seinem Deutschlandbesuch.

© Lars von Törne

Nein, die anderen sagten mir, ich könnte ruhig noch einen drauflegen, zumindest was die Bilder angeht. Bei den Texten haben wir allerdings auf Obszönitäten verzichtet – wie auch im Buch, wo derartige Passagen immer durchgestrichen und überkritzelt sind.

Das heißt, wir werden auch in dem Film so manch ein Messer im Auge sehen?

Auf jeden Fall, meine Fans wären sonst enttäuscht.

Sie haben inzwischen einige Jahre Ihres Lebens dem Goon gewidmet. Denken Sie manchmal darüber nach, jetzt auch mal etwas ganz anderes zu machen?

Ich habe ein paar Ideen für andere Comics. Aber ich denke, ich werde den Goon noch viele Jahre lang machen. Oft werde ich gefragt, ob ich den Goon eines Tages sterben lasse. Ich sage dann immer: Ich werde ihn wohl zeichnen, bis ich ein alter Mann bin. Es macht einfach zu viel Spaß.

Das Interview führte Lars von Törne.

Eric Powells Serie "The Goon" erscheint auf Deutsch bei Cross Cult. Bislang sind dort vier Sammelbände veröffentlicht worden. Sie haben 100 bzw. 144 Seiten und kosten 14,80 bzw. 19,80 Euro. Mehr unter www.cross-cult.de. Zu Eric Powells Website geht es hier.

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