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Geneviève Castrée, die nach ihrer Heirat Elverum hieß, auf einem Foto, das ihr Mann von ihr gemacht hat.

© Privat

Kanadische Comic-Autorin: Geneviève Castrée ist tot

Sie war eine vielseitige Künstlerin, in der Comic-Erzählung „Ausgeliefert“ verarbeitete sie ihre traumatische Kindheit. Jetzt ist die Kanadierin Geneviève Castrée an Krebs gestorben.

Stark und verletzlich zugleich wirkte die Hauptfigur ihrer autobiografischen Comicerzählung „Susceptible“, auf Deutsch unter dem Titel „Ausgeliefert“ veröffentlicht. Und so wirkte auch die 1981 geborene Geneviève Castrée bei ihren öffentlichen Auftritten. Wie bei jenem vor drei Jahren in Deutschland, als sie „Ausgeliefert“ bei einer Podiumsveranstaltung ihres deutschen Verlages Reprodukt zusammen mit dem Autor dieser Zeilen vorstellte.

Bei den Lesungen und Gesprächen über ihre Arbeit ging es neben künstlerischen Aspekten immer auch um zutiefst Persönliches, über das die junge Frau bemerkenswert offen und direkt sprach, auch wenn es um offensichtlich traumatische Erinnerungen ging.

In „Ausgeliefert“ erzählt die in Québec geborene und zuletzt an der US-Westküste lebende Autorin und Zeichnerin die bewegende Geschichte einer jungen Frau namens Goglu, die unter widrigen Verhältnissen aufwächst – und offensichtlich zu großen Teilen mit der Autorin identisch ist.

Eine alkoholabhängige Mutter, ein weitgehend abwesender Vater, ein aggressiver Stiefvater – das Leben meint es nicht gut mit ihr. Und doch schafft es Goglu, sich Freiräume zu schaffen, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und nach vielen Irr- und Umwegen in eine bessere Zukunft zu finden.

Wie die Zeichnerin das in einfach wirkende, ausdrucksstarke Bilder gepackt hat, wie sie die Perspektive erst eines Kindes und dann einer notgedrungen schnell erwachsen werdenden jungen Frau in Schwarz-Weiß-Bildern umsetzte, ist beeindruckend.

Ausgeliefert: Die junge Ich-Erzählerin unter feierfreudigen Erwachsenen.
Ausgeliefert: Die junge Ich-Erzählerin unter feierfreudigen Erwachsenen.

© Reprodukt

Ihre Zeichnungen erinnern teilweise an Kinderbücher, dennoch vermitteln sie eine enorme Tiefe und Ernsthaftigkeit. Oft wirken sie seltsam losgelöst, die Gefühlswelt der Hauptfigur reflektierende. "Ausgeliefert" ist die packende Coming-of-Age-Erzählung einer herausragenden Autorin, die seit ihrem gut zehn Jahre zuvor veröffentlichten, dialoglosen deutschen Debüt „Die Fabrik“ auch zeichnerisch sichtlich gereift war.

Neben ihren Arbeiten als Comicautorin arbeitete sie auch als Musikerin und nahm unter den Namen Woelv und später Ô PAON Alben auf und tourte.

Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass die Zeichnerin, die seit ihrer Heirat mit dem Künstler Phil Elverum dessen Nachnamen trug, an einer aggressiven, unheilbaren Krebserkrankung litt. Die Diagnose hatte sie vier Monate nach der Geburt ihrer Tochter erhalten. Sie unterzog sich einer Chemotherapie und alternativen Heilungsversuchen, ihr Mann hatte im Internet dazu eigens eine Spendensammmlung gestartet - alles vergeblich. Am Sonnabend erlag sie ihrer Krankheit, wie ihr kanadischer Verlag Drawn and Quarterly am Sonntag auf Twitter bestätigte. Sie starb zu Hause in Anwesenheit ihres Mannes und ihrer Eltern, wie Phil Elverum in einem persönlichen Statement mitteilte. Bis zuletzt sei sie vom Willen angetrieben gewesen, zu leben und zu arbeiten.

Geneviève Castrée: Ausgeliefert, aus dem Französischen von Marion Herbert, Handlettering von Geneviève Castrée, Reprodukt, 80 Seiten, 16 Euro. Mehr über das Buch und Leseproben unter diesem Link.

Selbstporträt: Das Cover von "Ausgeliefert".
Selbstporträt: Das Cover von "Ausgeliefert".

© Reprodukt

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