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Lars von Törne

© Kai-Uwe Heinrich

Literaturtipp: Liebe im Kanu

Tagesspiegel-Redakteur Lars von Törne empfiehlt einen frankokanadischen Bestseller

Ein Kanadier ist jemand, der in einem Kanu Liebe machen kann, hat der Autor Pierre Berton einmal festgestellt - eine Metapher für die Naturverbundenheit seiner Landsleute und für den besonderen Hang zur Ausgeglichenheit, den man ihnen nachsagt. Und tatsächlich: Michel Rabagliatis Geschichten aus der kanadischen Wildnis haben auch eine Liebesszene im Kanu zu bieten. In "Pauls Ferienjob", dem ersten jetzt auf Deutsch erschienenen Comic-Roman des Québecer Autoren und Zeichners, kommt die Hauptfigur Paul seiner Angebeteten auf dem Wasser näher - ohne dass das fragile Boot umkippt.

Vordergründig erzählen Rabagliatis fortlaufend erzählte, in cartoonhaftem Stil gezeichnete Paul-Geschichten - auf Französisch erschien kürzlich der fünfte Band - in lakonischem, teils selbstironischem Ton vom Alltag und vom Reifungsprozess eines jungen Mannes, seiner Freunde und Familie im frankophonen Kanada, von den typischen Entwicklungen und Brüchen, die man zwischen der Teenagerzeit und der Midlife-Crisis so oder so ähnlich erlebt. Aber dahinter steht eine zweite Geschichte, die Rabagliatis Buch mit anderen Neuerscheinungen aus dem hohen Norden verbindet: die von Kanada als Naturgewalt, als dünn besiedeltes Land, in dem sich der Mensch nicht nur mit seinen Mitmenschen, sondern immer auch mit der ihn umgebenden Landschaft auseinandersetzen muss.

In "Pauls Ferienjob" ist dies ein Waldgebiet, in dem Rabigliatis Hauptfigur - wie einst der Autor selbst - als Betreuer von Jugendgruppen den Sommer verbringt. Hier, fernab von den Segnungen und Herausforderungen der Großstadt, findet sich Paul unerwartet auf sich selbst zurückgeworfen. Im Laufe des Sommers wird aus dem ziellosen, unreifen Schulabbrecher ein verantwortungsvoller Erwachsener, der sein Leben in die Hand nimmt. Wie viele Kanadier, die entweder eine Blockhütte samt Kanu besitzen oder jemanden mit einer Hüte kennen, verbrachte Rabagliati große Teile seiner Jugend auf dem Land. Davon leben viele seiner Geschichten. So dient die Québecer Natur auch in mehreren anderen Paul-Büchern als Katalysator für die charakterliche Entwicklung der Hauptfigur. In Kanada sind Rabagliatis wunderbar einfühlsam erzählte Paul-Geschichten schon länger ein Bestseller. In Deutschland ist es höchste Zeit, dass diese Bücher von einem größeren Publikum entdeckt werden.

Michel Rabagliati: Pauls Ferienjob, 152 Seiten, Edition 52, 17 Euro. Alle weiteren Bände gibt es auf Französisch bei Les Editions de La Pastèque

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