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Mangamesse "Connichi"

© Uwe Zucchi, dpa

Manga: Die Nippon-Connection

Es gibt nicht viele Veranstaltungen mit der Gefahr, einem Mann auf die Schleppe oder einer Frau auf den Schwanz zu treten. Eine davon fand am vergangenen Wochenende in Kassel statt

Von Barbara Munker, dpa

In der Kasseler Stadthalle trafen sich Tausende Manga- und Anime-Fans aus ganz Deutschland. Doch die Anhänger der bunten japanischen Comics und Trickfilme wollten sich nicht nur mit den neuesten Heften und DVDs versorgen. Die Szene hat vor allem gefeiert - je schriller und bunter, desto besser.

Bunte strähnige Haare, gertenschlanke Körper und vor allem riesige Augen und kleine Nasen machen japanische Comics unverwechselbar. Bei den Comic-Frauen kontrastieren große Brüste das extreme Kindchenschema. Noch bizarrer sind die Geschichten, in denen geflogen und mit Blitzen geworfen, mit Tieren gesprochen oder gezaubert wird. Manga heißt „zwangloses Bild“. Und in der Tat ist Fantasie viel wichtiger als Logik. „Es gibt für jeden Geschmack etwas“, sagt Organisatorin Janina Mayer. „Quietschbunte und düstere Mangas, lustige Kindercomics und harte Politikthriller.“ In Deutschland seien vor allem die bunten mädchenhaften Hefte und Filme beliebt, doch das ändere sich gerade.

„Die Fangemeinde wächst und sie nimmt das Thema immer ernster.“ Dabei ist es fast schon ein Massenphänomen: Zur ersten „Connichi“ kamen 2002 in Ludwigshafen 1500 Fans, im vergangenen Jahr waren es in Kassel zehnmal so viele. „Sie kommen aus ganz Deutschland“, sagt Mayer. „Es sind zwar alle Altersgruppen vertreten, aber zwei Drittel sind jünger als 21.“

„Sie ist lustig, süß, aber auch total tough"

Die Fans sind im Stadtbild nicht zu übersehen. Giftgrüne Haare und wallende Umhänge - auch mit Schwanz oder Schleppe - sind die eher langweiligen Kostüme.

Mangamesse "Connichi"
Spiel ohne Grenzen. Mangafans auf der Messe "Connichi".

© Uwe Zucchi, dpa

Für die härteren müssen es schon Tierfelle, Raketenanzüge und Lederklamotten sein. Oder Schulmädchenkostüme. „Wir sind Yuki“, sagt Frauke Pychy. Yuki ist die Heldin von „Vampire Knight“, und in Kassel trafen gleich vier Yukis aufeinander. „Die ist so cool, dass wir alle Yuki sein wollten“, sagt die 22-Jährige aus dem Knüllwald. Mit schwarzen Haaren, dank Kontaktlinsen blutroten Augen und einer Art Schulmädchenuniform stellen sie das Vampirmädchen dar. „Sie ist lustig, süß, aber auch total tough“, sagt Mit-Yuki Stefanie Fröhlich. Die 16-jährige Vanessa Nickel aus dem rheinland- pfälzischen Bad Neuenahr will eines nicht vergessen: „Sie ist auch total sexy.“ Entsprechend kurz sind die Röcke.

In Deutschland hat Manga fast immer auch mit Erotik zu tun: Volle Brüste, enge Blusen, knappe Röcke. „Aber Manga ist eine jahrhundertealte Kultur“, sagt Yukiko Iwata ärgerlich. „Und eigentlich eine hohe Kultur.“ Die Japanerin freut sich über das Interesse. „Aber solche Kostüme wären in Japan verboten“, sagt sie und schaut auf Teenager mit knappen Röcken. „Die Deutschen gehen da etwas weit.“

"Sailor Moon" als Einstiegsdroge

Jennifer Heinglein hat in der Mangaszene eine „Süchtigenkarriere“ hinter sich. „Es fing alles mit «Sailor Moon« an, dann kam «Mila Superstar« und dann die anderen Anime“, sagt die 22-Jährige. „Manga bietet Gefühl, Spaß, Spannung - was will man mehr?“ Auf der Connichi in Kassel komme die Lust am Verkleiden dazu. „Die Mangakultur ist unglaublich fantasievoll und man kann seine ganze Kreativität spielen lassen und die verrücktesten Kostüme basteln.“

Bei Nadja Stolarczyk aus Schönwalde bei Berlin ging es sogar noch weiter: „Weil ich das so toll fand, habe ich als Schülerin ein Austauschjahr in Japan verbracht. Die Kultur ist total spannend, und jetzt kann ich Manga auch im Original lesen.“

Zwei Drittel der Mangafans sind Frauen. Die Männer gehen eher technisch an die Comics ran: „Wir besorgen uns Anime, die nur in Japan erscheinen und erarbeiten deutsche Untertitel“, sagt Matthias Beha aus Freiburg. „Da wird manchmal stundenlang über einen Satz diskutiert, aber gerade das macht Spaß.“ Rechtliche Probleme, die kopierten Filme dann zu tauschen, gebe es nicht, sagt Mit-Übersetzer Dirk Meyer. „Das gehört bei dieser Kultur dazu. Bei uns würden sich gleich die Anwälte melden. In der Animeszene kommt eher eine E-Mail: «He, super gemacht.«“

Davon lebt auch Chris Ling. Der in den USA geborene Chinese, der lange in Japan lebte, verkauft sogenannte Doujinshi-Hefte. „Das sind Mangageschichten, die von Fans weiterentwickelt wurden. Die sind aber sehr professionell“, sagt der Kalifornier begeistert. Das treffe auch auf die Besucher der Kasseler „Connichi“ zu: „Ich bin erst vier Tage in Deutschland, aber hey, Ihr habt eine total coole Szene.“
(dpa)

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