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Manga: Göttlicher Tropfen

Ein japanischer Comic bewegt den Weinmarkt. Selbst Kenner können hier noch etwas hinzulernen.

Franzosen lieben Comics, und sie lieben Wein. Zurzeit lernen sie einen Weincomic lieben, und das Verrückte ist: Der Comic ist ein Manga. Also ein japanisches Gewächs, von hinten nach vorn zu blättern. In Asien wird er von vielen Millionen Lesern verschlungen. Mehr noch, in Tokyo und Hongkong, Singapur und Seoul gehen sie mit den bunten Büchlein in der Hand in Weinbars und bestellen Getränke, die in der Handlung vorkommen. Der Manga »Die Tropfen Gottes« gilt dem britischen Weinmagazin Decanter gar als »die einflussreichste Weinpublikation der vergangenen 20 Jahre«, und seine Schöpfer, das Geschwisterpaar Yuko und Shin Kibayashi, rechneten die Briten unter die 50 mächtigsten Weinpersönlichkeiten des Jahres 2009. Die Fluglinie All Nippon Airways ließ die beiden im vergangenen Jahr die Weine für die erste Klasse aussuchen. Anzeige

Asiens Weinmarkt wächst rasant, und die 40 Bände umfassende Mangaserie bestimmt ihn in nicht geringem Maße – was seit dem ersten, 2004 erschienenen Band immer wieder zu Überraschungen führt.

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Bestseller. Vor Kurzem ist der zwölfte Band erschienen.

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Damals verkaufte das wenig bekannte Bordelaiser Château Mont-Pérat auf einen Schlag 20.000 Flaschen seines Jahrgangs 2001, denn in der ersten Folge wurde der Wein in den höchsten Tönen gelobt. Ähnlich erging es später auch italienischen und australischen Produzenten. Deshalb verlieh die hoch angesehene Revue du vin de France den Autoren in ihrer Februarausgabe die »Weintrophäe 2010« – das ist nun, endgültig, der Ritterschlag.

Das lag auch daran, dass sich der Manga in der Fachwelt binnen Kurzem einen ausgezeichneten Ruf erworben hatte; seine Schöpfer hatten sich dermaßen gut beraten lassen, dass sogar ausgesprochene Weinkenner noch etwas dazulernen können.

Vor allem aber popularisieren die Büchlein das Weinwissen auf vorbildliche, eben unterhaltsame Weise. Da kann man die simpel gestrickte Handlung durchaus verschmerzen. Letztlich geht es in ihr um den Kampf zweier junger Männer, die anhand der recht rätselhaften Beschreibungen eines weinkundigen Erblassers die entsprechenden Flaschen finden müssen. Na gut. Band für Band reihen sich Zweikämpfe aneinander, in Proberäumen, Restaurants, auf Partys, und immer geht es nur um Sieger und Besiegte. Alles das wird in mangatypischer Ästhetik präsentiert, aufwendig gezeichnete und getuschte Tableaus wechseln sich mit fratzenhaften Karikaturen ab.

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Da ist vieles, was der Westler durchaus spannend, aber nichts, was er komisch finden kann. Macht nichts, in Frankreich wurden gleich in den ersten anderthalb Jahren 350.000 Exemplare verkauft, Tendenz steigend, und besonders in den kulinarischen Gewerben des Landes sind viele den Gouttes de Dieu anheimgefallen. Sie lernen darin einiges über die japanische Art, Weine zu beschreiben – jede Kultur hat ihre eigenen Metaphern. Ebenso entdecken sie Eigenheiten des fernöstlichen Geschäftslebens, seine Hierarchien und die merkwürdige Duldung von Alkoholexzessen.

Soeben ist der zwölfte Band auf Französisch erschienen; bis der 40. und letzte erreicht ist, soll es noch zwei Jahre dauern. Der letzte Gottestropfen wird wieder ein Bordeaux sein, und zwar ein Château Le Puy, vielleicht der traditionellste Wein der Region.

(Diesen Artikel veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung von Zeit Online, wo er zuerst erschienen ist.)

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