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Von Disney kopiert: Ein Promobild der Zeichentrickserie mit den Abenteuern von Kimba.

© Promo

Manga: König des Westens, Kaiser des Ostens

Der japanische Manga-Klassiker „Kimba, der weiße Löwe“ stößt trotz seines naiv-niedlichen Charmes in erwachsen-philosophische Dimensionen vor und wurde einst zum Zentrum einer Kontroverse. Jetzt wurde die Erzählung neu aufgelegt.

Als 1994 Disneys „Der König der Löwen“ in die Kinos kam, ging ein Aufschrei durch die Gemeinde von Fans und Fachleuten des Comic- und Animationssektors. Mehr als offensichtlich ähnelte der Film jener Zeichentrickserie, die sich in den Siebziger Jahren auch in Deutschland großer Beliebtheit erfreute: Osamu Tezukas „Kimba, der weiße Löwe“. Visuelle wie erzählerische Entsprechungen gab es zuhauf, angefangen mit Namensgleichheiten – hier der tierische Animeheld Kimba, da sein Disney-Pendant Simba. 150 im Umfeld der japanischen Animeindustrie Tätige unterzeichneten sogar eine Petition. Dabei ging es ihnen jedoch eher um die Anerkennung von Tezukas Œuvre, als um rechtliche Forderungen.

Paradox ist aber, dass Osamu Tezuka gerade in seinem frühen Werk ebenfalls stark von Disney beeinflusst war. Weniger in plagiierender als in spielerisch-assimilierender Hinsicht gelang es ihm, Cineastisches in seine Manga fließen zu lassen. Gerade der Vorläufer des späteren Anime, die Mangaserie „Kimba“, die auf Japanisch „Janguru taitei“, also „Der Kaiser des Dschungels“ heißt (wieder eine wenig verschleierte Parallele zum Disney-Film), zeugt davon. Der passionierte Kinogänger Tezuka zeichnete den Manga 1950 bis 1954. Darin gibt es gibt Reminiszenzen zu „Bambi“ (1942), weil die Geschichte im Reich der Tiere angesiedelt und Held Kimba ein Waise ist. Auch „Fantasia“ (1940) und „Dumbo“ (1941) klingen an, den gymnastischen Verrenkungen und Kapriolen von Elefanten und anderen Tieren fügt Tezuka nicht nur neue Varianten in der freien Wildbahn Afrikas hinzu, sondern mit ungeheuerlichen Tiernummern auch dem Zirkus-Erzählstrang des zweiten Bandes.

Der Unterschied zu Disney ist jedoch Tezukas unter all der humoristischen Kindlichkeit liegende ernste Dimension – obwohl auch „Kimba“ zuerst in einem für Japans Comicwelt üblichen Jungen-Magazin veröffentlicht wurde. Nur auf den ersten Blick erscheinen die Fragestellungen und Lösungen einfach, die Tezuka in seinen Manga aufwirft. Immer wieder sind sie, auch formalästhetisch gespiegelt, Schattenrisse einer komplizierteren Wirklichkeit. Tezukas Manga berühren und rühren, während man lacht.

Wild scheint das Manga zwischen den Genres zu oszillieren. Mal ist es eine Fabel, dann aber ändert sich sein Gewand, wird zu einer Abenteuer- oder Spionagegeschichte, sogar zur Klamotte. Obendrein ist es ein Werk, das oft mit gleich drei verschiedenen Handlungssträngen jongliert. Tezuka ist bekannt dafür, dass er die Entwicklung des geschichtenbasierten, epischen Story-Manga maßgeblich vorantrieb. Dabei ging er nicht nur in die Länge, sondern auch in die Tiefe.

Bei „Kimba“ fragt man sich deshalb immer wieder, ob es sich hier tatsächlich nur um eine Tierfabel handelt oder, schon allein wegen der anthropomorphen Permutationen des Raubtierprotagonisten, um eine Fabel über die Bestie Mensch. Mit seinen Dandys Großwildjägern und einem wohl eher unbeabsichtigt kolonialistischen Blick auf die Kulturen Afrikas beschreibt Tezuka nämlich den verzweifelten Versuchsaufbau einer friedlichen Koexistenz zwischen Tier und Tier sowie Mensch und Tier. Eine Utopie des Friedens und der Freiheit, die einer gerade mal fünf Jahre zurückliegenden Kriegserfahrung, eines Lebens innerhalb des menschenverachtenden und rigiden Tennō-Systems entwachsen ist.

Klassiker: Die Titelbilder der zweibändigen Neuauflage.
Klassiker: Die Titelbilder der zweibändigen Neuauflage.

© Carlsen

Traurigkeit und Gewalt umgibt den Helden, dessen Zuflucht immer wieder nur das schneeweiße Fell seines Vaters ist. Und im Schnee soll seine Geschichte enden, berührend und an dieser Stelle überhaupt nicht mehr kindlich. Allen humanbestialischen Bestrebungen bleibt die gewaltige Natur erhaben und entrückt.

Puristen könnten die Spiegelung des Manga monieren, da gerade Tezuka mit interessanten Panelstrukturen die ganze Seite im Blick hat, doch die an den westlichen Geschmack angepasste Leserichtung könnte eine Erleichterung für den Liebhaber von Graphic Novels darstellen. Schön ist diese mit einigen Extras und größeren Seiten versehene Schmuckausgabe allemal.

Osamu Tezuka: Kimba, der weiße Löwe, bislang 2 Bände, je rund 270 Seiten, je 19,90 Euro, die Website zu der Reihe findet sich hier.

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