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Jahrhunderte umspannende Reise: Eine Seite aus der besprochenen Reihe.

© Egmont Manga Tsutomu Nihei/Kodansha Ltd.

Manga-Serie „Knights Of Sidonia“: Zur Brust genommen

Zum ersten Mal versucht der durch seine enigmatische Science Fiction bekannte Manga-Autor Tsutomu Nihei eine Geschichte zu erzählen – das geht zwar nicht in die Hose, aber zu oft unter die Bluse.

Sechs Jahre benötigte Tsutomu Nihei, um sein bisher umfangreichstes Werk „Knights Of Sidonia“ fertigzustellen. Im Original bereits vergangenes Jahr abgeschlossen, erschien der fünfzehnte Band der Kampfroboter-Operette nun vor Kurzem auf Deutsch.

Nihei, Spezialist für architektonisch ausufernde und düstere Zukunftsentwürfe, versucht sich hier an einer helleren und leichteren Variante seines mit in ständiger Metamorphose befindlichen Wesenheiten und biomechanoiden Vollstreckerfiguren bevölkerten und stark verrätselten Universums.

Die Geschichte handelt von einem Generationenraumschiff, dessen Besatzung sich aus der nach der Zerstörung ihrer Heimatwelt verbleibenden Erdpopulation rekrutiert und auf ihrer Jahrhunderte umspannenden Reise wieder auf die für die Zerstörung der Erde verantwortliche Lebensform namens Gauna trifft.

Die Blickrichtung bestimmt den Seitenaufbau: Clever arrangierte Abfolge aus "Knights Of Sidonia".
Die Blickrichtung bestimmt den Seitenaufbau: Clever arrangierte Abfolge aus "Knights Of Sidonia".

© Egmont Manga Tsutomu Nihei/Kodansha Ltd.

Diese bereits aus dem Vorgängerwerk „Abara“ bekannten Aliens stehen für die erzählerische Konstante in Niheis Werk, durch dessen Figurenpersonal der Autor immer wieder Verweise auf frühere Geschichten schafft, zum Beispiel die bereits aus „Biomega“ bekannten sprechenden Bären. Und auch die Firma Toha Heavy Industries bietet sich erneut als narrative Konstante an, deren ominöses Wirken sich durch fast alle Comics Niheis verfolgen lässt, beginnend mit dessen Debüt „Blame“.

 Bäumchen, wechsel dich

Diese personellen Grundkonfigurationen schließen im Positiven das thematische Anschneiden von Geschlecht und Identität mit ein, werden aber, ähnlich dem zum Ende der Reihe immer mehr zerfasernden und gelegentliche Ermüdungserscheinungen aufweisenden Zeichenstil, nur umrisshaft abgebildet.

Dadurch mit eingebundene ebenfalls tiefgründige Themen wie verlängerte Lebensdauer oder soziologische Auswirkungen der Nutzung von Klontechnologie werden leider zu Gunsten eines leicht verklemmt wirkenden pubertären Humors verschenkt, der sich ausnahmslos an der Nacktheit weiblicher Körper, insbesondere deren sekundärer Geschlechtsmerkmale, delektiert und darüber hinaus auf harmlosen Slapstick setzt. Und weil wir von gerade von Körperfixierung reden, soll auch der unhinterfragte und mit dem Korpsgeist der Mecha-Piloten einhergehende Kadavergehorsam nicht unerwähnt bleiben.

Bauch rein, Brust und Po raus: Eines von vielen exhibitionistischen Panels aus Knights Of Sidonia.
Bauch rein, Brust und Po raus: Eines von vielen exhibitionistischen Panels aus Knights Of Sidonia.

© Egmont Manga Tsutomu Nihei/Kodansha Ltd.

Hätte Nihei, der nach eigenem Bekunden in einem Interview aus dem vergangenen Jahr eifriger Leser von Science-Fiction-Literatur ist, sich anstatt von Teenager-Klamotten wie „Eis am Stiel“ oder „American Pie“ sowie einer Art grafischer Lapsus Linguae und fragwürdiger Military-SF durch jemandem wie David Marusek inspirieren lassen, wäre „Knights Of Sidonia“ in Wechselwirkung mit der oft grandiosen und wie die Figuren ständiger Veränderung unterworfenen visuellen Umsetzung vielleicht ein exzeptionelles Epos geworden.

Denn bis zur Abstraktion aufgelöste Fragmente zur Darstellung exzessiver Raumschlachten zwischen den in Japan als Mecha bekannten und populären Kampfrobotern, denen sich ein eigenes Genre widmet, und den in Niheischer Tradition munter vor sich hin transformierenden Gestaltwandlern – was für beeindruckende Seitenkompositionen sowie ausgefeilte Panelarrangements sorgt und eine zweite Erzählebene neben dem dünnen 'Class of Mecha High'-Plot etabliert – haben mehr mit abstrakten Comics gemein, als dem durchschnittlichen Konsumenten des auf eine jugendliche und männliche Leserschaft ausgerichteten Seinen-Manga lieb sein mag.

Aktuell veröffentlicht Nihei übrigens „Aposimz“, einen in einer Eiswelt spielenden Manga. Bleibt zu hoffen, dass die Kälte ihm die pubertären Hitzewallungen austreibt und sich der Hormonspiegel wieder etwas einpegelt. Sonst einfach mal Toha Heay Industries anfragen, die haben bestimmt eine Lösung in petto. 

Tsutomu Nihei: Knights Of Sidonia, Ehapa/EMA, je 192 Seiten, 6,50 €; ab Band 4 beträgt der Preis 7,50 €. Der Abschlussband 15 hat 261 Seiten und kostet 8,50 €.

Komplett. Der Abschlussband der besprochenen Reihe.
Komplett. Der Abschlussband der besprochenen Reihe.

© Egmont Manga Tsutomu Nihei/Kodansha Ltd.

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