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Kai Wilksen.

© Stephan Elsemann

Nachruf: Kai Wilksen (1962–2011)

Am 1. Juli starb einer der wichtigsten deutschen Comic-Übersetzer. Ein persönlicher Nachruf.

Es sind nicht immer nur die Lauten, die Menschen im Vordergrund, die großen Einfluss auf den deutschen Comic haben. Es sind auch die Stillen, die, die lieber nicht im Rampenlicht stehen und die gewichtige Rolle auch gerne herunterspielen. Ein solcher Mensch war Kai Wilksen.

Als ich vor gut zehn Jahren erstmals die großen Festivals im Ausland besuchte, traf ich dort auch auf Kai, dessen ruhiges Wesen und unaufgeregte Kompetenz mich schnell zu begeistern wusste. Vor allem lag es auch an seiner fehlenden Eitelkeit, was so erfrischend wirkte. Über den Comic lernte ich Kai näher kennen und es entstand eine Freundschaft, die über die Jahre anhielt. Wer Kai Wilksen auf diesen Festivals erleben durfte, der wird ihn in Erinnerung behalten als geschäftigen Mann mit Aktentasche und Zigarette im Mundwinkel, der sprichwörtlich Gott und die Welt kannte. Die Gespräche mit ihm waren immer höchst anregend, seine Einschätzungen klug und weitsichtig. Von daher ist es kein Wunder, dass der studierte Germanist und Historiker großen Anteil am Aufschwung des anspruchsvollen Comics in Deutschland hatte.

Denn Wilksen war professioneller Übersetzer von Comics , hauptsächlich aus dem französischen Raum. Blättert man in den wichtigen Comics der vergangenen Jahre – Trondheim, David B., Blain, Blutch, Delisle und so viele mehr –, so wird man schnell feststellen, dass Wilksen sie alle übersetzt hat. Mehrere seiner Bücher sind mit dem Max und Moritz-Preis ausgezeichnet worden, zuletzt noch „Pinocchio“ von Winshluss, wo der Moderator während der Preisverleihung zwar die Leistung eines Übersetzers ansprach, aber leider den Namen verschwieg. Schade, es wäre eine angemessene Würdigung gewesen. Denn Wilksen verband ein begnadetes Sprachgefühl mit einem enormen Weltwissen. Sein Credo war: „Einer guten Übersetzung merkt man nicht an, dass sie eine Übersetzung ist.“ Außerdem war er einer der wenigen Verrückten, die die Zeichen innerhalb einer Sprechblase zählen um dann nach dem Übersetzen auf dieselbe Zeichenanzahl zu kommen. Soviel Genauigkeit musste schon sein bei ihm. Er gehörte zu den besten und fleißigsten Übersetzern Deutschlands.

Nebenbei war Wilksen seit vielen Jahren freundschaftlich mit dem Freiburger Comicladen „X für U“ verbunden, bei dem er auch aushalf, vermutlich mit ähnlichem Engagement wie bei den Heimspielen des SC Freiburg. Dass er zudem noch den einzigen Vertrieb für franko-belgische Alben in Deutschland betrieb, der auch ein Grund für sein geschäftiges Treiben jedes Jahr in Angoulême war, wurde fast schon zur Nebensache. Dennoch war „Passe-Partout“ für viele die wichtigste Quelle französischer Novitäten.

Im vergangenen Jahr kurz nach dem Comicsalon Erlangen, wo er noch einen Stand betrieb, wurde bei ihm eine heimtückische Krankheit festgestellt. Doch auch das schien ihm nichts auszumachen, er nahm weiterhin Aufträge an, übersetzte sogar noch die Proust-Adaption für Knesebeck, und stemmte sich gegen seine Krankheit.

Bei einem unserer letzten Treffen, natürlich in Angoulême, blitzte sie noch einmal auf, die Hingabe und die Leidenschaft, mit der er sich den Comics, aber auch dem Leben verschrieb. Trotz der Rückschläge, die er im letzten Jahr erlitt.

Am 1. Juli 2011 ist er von uns gegangen und der Schock sitzt tief, auch wenn es sich abgezeichnet hatte. Die Lücke welche er hinterlässt, ist unbeschreiblich groß. Die Szene ist um einen großen Aktivisten ärmer und viele von uns haben einen guten Freund verloren. Wir werden die Gespräche mit ihm sehr vermissen und vor allem trauern wir um einen großartigen Menschen.

Klaus Schikowski ist der Autor des Buches „Die großen Künstler des Comics“ und lebt in Köln. Er veröffentlicht regelmäßig in der Fachzeitschrift „Comixene“ und vielen anderen Publikationen Artikel über Comics.

Einen weiteren Nachruf auf Kai Wilksen gibt es auf dem Blog des Reprodukt-Verlages.

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