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Nicht jedermanns Sache - Anns Blutrache: Eine Seite aus dem besprochenen Band.

© BSV

„Perlen der Comicgeschichte: Fundbüro für Übermenschen

Der Bildschriftenverlag gräbt zum vierten Mal Perlen der Comicgeschichte aus. „Verschollene Superhelden“ ist jedoch der bislang schwächste Band der Reihe.

In der Reihe „Perlen der Comicgeschichte“ des Bildschriftenverlags wurden schon einige bemerkenswerte Fundstücke aus dem sich vom Ende der 1930er bis zum Beginn der 1950er Jahre erstreckenden goldenen Zeitalter der US-Comics ans Licht geholt: Beispielsweise das sich souverän zwischen unfreiwilliger Avantgarde und vermeintlichem Unvermögen bewegende Werk von Fletcher Hanks.

Dem ging ein als „Good Girl Art Comics“ betitelter Band voraus, welcher mehrheitlich Werke des Afroamerikaners Matt Baker präsentierte. Für die Verhältnisse des hannöverschen Kleinverlags verkaufte sich dieser Band, in dem gewissen männlichen Sichtweisen von ansehnlichen weiblichen Heldinnen gehuldigt wird, wie geschnitten Brot. Dankenswerterweise befasst sich einer der darin enthaltenen Begleittexte mit den viel zu oft übersehenen schwarzen Künstlern im nordamerikanischen Comic, was einen unbedingten Mehrwert bedeutet.

Brandheiß aus dem Sweat Shop

Angefangen hat die „Perlen“-Reihe mit einer Anthologie, die obskure Comics des Verlagshauses „Centaur Publications“ vorstellte. In dieser galoppiert der Irrsinn fröhlich vor sich hin, vom mit allerlei Baumarkt-Firlefanz ausgestatteten übermenschlichen Hausmeister eines Vergnügungsparks über riesige dahinschwebende Augäpfel des Gesetzes bis hin zu durch die Luft rasenden Zentauren.

In diese Kerbe schlägt der nun vorliegende vierte Band der Reihe ebenfalls: Erneut wurden seltsame Helden ausgegraben – unter anderem eine überdimensionierte und flugs das Unrecht ergreifende Hand, sowie ein puppenlos daherkommender und als Echo titulierter Bauchredner.

So schön kann Lettering sein: Eine Originalseite aus der Echo-Story.
So schön kann Lettering sein: Eine Originalseite aus der Echo-Story.

© Promo

Weiterhin gibt es nebst einem leicht entflammbaren Mann aus Metall, dessen Habitus stark an den ebenfalls stark unter emotionalen Schwankungen leidenden Hulk erinnert, allerlei Getier wie Eulen oder Kätzchen zu entdecken, deren Outfits durchaus als Inspirationsquelle für die seltsamsten Kostümierungen diesseits vom Kölner Karneval herhalten könnten.

Diese Geschichten, stets unter großem Druck für Sweat Shops gleichenden Studios produziert, die in kürzester Zeit einen hohen Ausstoß an Material für die vergnügungshungrigen Massen zu bewerkstelligen hatten, zeichnen sich nicht unbedingt durch Stringenz oder gar Logik aus. Zudem wurde auch jede noch so abseitige Inspiration bis hin zum dreisten Plagiat gutgeheißen, denn die Gangster jagende Eule oder der Katzenmann, Letzterer übrigens mit obligatorischem Sidekick, lassen natürlich an eine andere prominente nachtaktive Figur mit Cape und Fledermausohren denken.

Leider aber ist dieser vierte Band der bisher schwächste der Reihe. Geschenkt die notorische Bindestrichverweigerung in den Sekundärtexten, aber das sich in den Übersetzungen „nach“ statt „zu“ begeben wird, ist eher nervig. Ebenso ist das Lettering funktionell ausgerichtet; bei Betrachtung der Originalseite einer eigentlich recht hübschen „The Echo“-Story von Paul Gattuso fällt auf, was hier zusätzlich an künstlerischem Einsatz verloren geht.

Ob Grün oder Rot, der Pfeil trifft ins Schwarze: Das Cover des besprochenen Bandes.
Ob Grün oder Rot, der Pfeil trifft ins Schwarze: Das Cover des besprochenen Bandes.

© BSV

Insgesamt ist das Hauptproblem dieser Anthologie, dass der Aha-Effekt, der sich noch beim ersten Band einzustellen vermochte, auf Grund mangelnden Wahnsinns flöten geht. Was bleibt, sind aufblitzende Momente und etwas geschichtliche Quellenforschung, wenn zum Beispiel Paul Gustavsons „The Arrow“ als Vorläufer einer als Comic eher mäßig, aber im Fernsehen später recht erfolgreichen DC-Comic-Figur ausgemacht wird.

Man mag die Erschöpfung der Quelle jedoch bereits selbst zur Kenntnis genommen haben; der fünfte Band wird sich dem italienischen Verbrechergenie „Diabolik“ widmen und damit vorerst vom goldenen Zeitalter des US-amerikanischen Comics abwenden.

Verschollene Superhelden, Bildschriftenverlag Hannover, Hardcover, 100 Seiten, 24,80 €

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