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Alle Warnungen ignoriert. US-Präsidenten wie Bill Clinton kommen in dem Buch nicht gut weg.

© Illustration: Bercovici/Eichborn

Polit-Comic: Lachen gegen den Hass

Zwei Franzosen haben Osama bin Ladens Werdegang in einem Comic aufgearbeitet. Jetzt erscheint der Band auf Deutsch.

Von Todespilot Mohammed Atta ist seinen einstigen Weggefährten vor allem eines in Erinnerung geblieben: „Er konnte nicht lachen.“ So gab es zumindest ein ehemaliger Kommilitone des Terroristen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zu Protokoll. Hasserfüllte Todessehnsucht einerseits und Humor, Ironie oder fröhlicher Spott andererseits scheinen in der Tat nur schwer vereinbar. Doch der französische Autor und Journalist Mohamed Sifaoui hat es gewagt. Nach rund 20 Jahren so investigativer wie polemischer Auseinandersetzung mit dem religiös begründeten Extremismus wählte er nun eine neue Darstellungsform: Der 43-Jährige hat zusammen mit dem renommierten Zeichner Philippe Bercovici die erste umfassende Comic-Biographie des Terroristenführers Osama bin Laden vorgelegt: „Bin Laden enthüllt“, Untertitel: „Ein Comic-Attentat auf Al-Kaida“. An diesem Montag erscheint das provokant-überdrehte Buch auch in Deutschland.

Es ist eine 100-seitige Gratwanderung: Die Zeichnungen des 47-jährigen Bercovici oszillieren zwischen Realismus und Karikatur, die Handlung und die Dialoge schwanken zwischen Witz und Wahrheit. Die meisten Elemente sind allerdings der Realität entlehnt, betont der Autor. „Alle wichtigen biografischen Stationen entsprechen den Tatsachen“, nur ein paar Anekdoten seien fiktiv, sagt Sifaoui. „70 Prozent sind wahr, 30 Prozent erfunden.“

Der Terroristenführer als sexbesessener Zausel

Die Geschichte beginnt mit einer Sensation in der nicht allzu fernen Zukunft: US-Truppen machen im Jahr 2016 im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet eine unglaubliche Entdeckung. In einem von Aufständischen besetzten Dorf nehmen sie bei einem Angriff einen Turbanträger mit grauem Bart gefangen: Osama bin Laden ist gefasst. Er wird in ein Geheimgefängnis der US-Armee gebracht. Im Verhör durch zwei CIA-Agenten rollt der alte Mann seine Geschichte auf: Der Aufstieg eines unsympathischen, ignoranten, aber willensstarken Angebers zur Symbolfigur für Hass und Terrorismus.

Getrennte Wege. Auf dieser Seite werden die Meinungsverschiedenheiten zwischen bin Laden und seinem einstigen Mentor Scheich Abdallah Yusuf Azzam thematisiert.
Getrennte Wege. Auf dieser Seite werden die Meinungsverschiedenheiten zwischen bin Laden und seinem einstigen Mentor Scheich Abdallah Yusuf Azzam thematisiert.

© Illustration: Bercovici/Eichborn

Das liest sich vor allem dank der fiktiven Rahmenhandlung streckenweise wie eine überdrehte Politsatire, die etwa so viel Realitätsgehalt zu haben scheint wie die Comic-Serie „Clever & Smart“. Dazu trägt bei, dass Sifaoui und Bercovici sich vor allem bei der Darstellung von Osamas Privatleben einige Freiheiten erlauben und ihn als ebenso größenwahnsinnigen wie sexbesessenen Zausel karikieren.

Der erste Eindruck trügt jedoch: Bei der Darstellung der wichtigsten biografischen Stationen und vor allem bei ihrer politischen Einordnung hat Sifaoui sich tatsächlich streng an die Fakten gehalten und nur hin und wieder Details übertrieben, auch Zeichner Bercovici hat die meisten Figuren nur geringfügig verfremdet, so dass sie immer noch gut erkennbar sind. Das ist kein Zufall, denn der Autor hat trotz des unterhaltsamen Grundtons ein ernsthaftes Anliegen: „Ich wollte mich und andere über das zum Lachen bringen, was an den Extremisten am Schrecklichsten ist: Der Hass, den sie uns entgegenbringen, die Barbarei, die sie kennzeichnet, der Fanatismus, der sie nährt, und die Dummheit, die sie beseelt“, begründet Sifaoui, der algerischer Herkunft und muslimischen Glaubens ist, seinen ungewöhnlichen Zugang zum Thema.

„Wir können über uns selbst lachen“

Mit seinem Comic will der Autor den Terroristenführer „entweihen“, wie er sagt: „Er gilt nach wie vor als eine mystische Person in großen Teilen der islamischen Welt, als charismatischer Messias. Man sollte ihn endlich auf das reduzieren, was er ist: ein krimineller Ideologe, der den Islam instrumentalisiert, um barbarische Anschläge zu verüben.“ Sifaoui setzt den Spott und die Übertreibung ganz gezielt als Waffe ein: „Ich glaube, dass das Lachen ein wunderbares Mittel gegen den Terror und den Schrecken sein kann, den die Extremisten in uns auslösen wollen“, sagt er. „Außerdem ist der Humor eine Tugend, die uns von ihnen unterscheidet – wir können über uns selbst lachen und über die, die versuchen, uns durch Drohungen daran zu hindern, jene universellen Werte zu leben, die für viele Menschen auf der ganzen Welt von Bedeutung sind.“

Provokativ. Das Covermotiv des Buches.
Provokativ. Das Covermotiv des Buches.

© Eichborn

Manche Anhänger bin Ladens fühlen sich von dem Werk der Franzosen offenbar schon herausgefordert: Zur Premiere der französischen Ausgabe im vergangenen Jahr gab es „die üblichen Einschüchterungsversuche und Gewaltandrohungen“, erinnert sich der Autor. Als „Ben Laden dévoilé“, so der Originaltitel, erstmals erschien, kaperte eine Gruppe islamistischer Fundamentalisten die Facebook-Gruppe, die Sifaoui zum Buchstart gegründet hatte: „Sie haben sie übernommen, umbenannt und beschimpfen uns darauf“, berichtete Sifaoui damals.

Ein Aufstieg mit Hilfe der USA

Sifaouis und Bercovicis Humor ist direkt, ätzend und oft sehr treffsicher, stellenweise aber auch einfach platt und voller Stereotypen – gerade bei den wenigen Frauenfiguren, die vor allem als Sexobjekte erscheinen, aber auch bei der Darstellung des muslimischen Fußvolks, das in der Regel als einfältig, verblendet oder beides zugleich präsentiert wird.

Der Stil der beiden Franzosen ist so frech und hemmungslos, wie man es von französischen Comics mit Bezug zu real existierenden Figuren gewohnt ist. Allerdings bleibt einem bei der Lektüre von „Bin Laden enthüllt“ immer wieder das Lachen im Halse stecken. Akribisch zeichnet Sifaoui nach, wie seine Hauptfigur – nicht zuletzt mit Unterstützung der USA – vom verwöhnten Milliardenerbe zum Hass predigenden Terrorfürsten aufsteigt. Er führt vor, wie der Eiferer es versteht, sich vor allem in Afghanistan und Pakistan trotz seines zweifelhaften Rufes („Wüstendepp“) Verbündete für seinen Feldzug erst gegen die Kommunisten und dann gegen alles Westliche und vor allem gegen die USA zu suchen. Und er zeigt, wie vor 2001 die Warnzeichen von CIA, FBI und anderen Sicherheitsbehörden immer wieder missachtet oder heruntergespielt werden. Anders als die meisten anderen Comic-Beiträge zu diesem ernsten Thema schaffen es Sifaoui und Bercovici aber immer wieder, den Schrecken mit unterhaltsamem Spott zu verbinden.

Mohamed Sifaoui, Philippe Bercovici: Bin Laden enthüllt – ein Comic-Attentat auf Al-Kaida.100 Seiten, Eichborn, 16,95 Euro. Mehr unter diesem Link.

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