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Nach dem Krisengipfel: Eine Hanitzsch-Arbeit von 2012.

© Hanitzsch

Politische Karikaturen: Geköpft wird man heute nicht mehr

Merkel, Kohl und Bush - Dieter Hanitzsch hat sie alle aufs Korn genommen. Und er zeichnet weiter, etwa die Absurditäten rund um die Euro-Krise. Nun wird der Karikaturist aus München 80 Jahre alt.

Einen Stift, ein Blatt Papier - mehr braucht Dieter Hanitzsch nicht für seine Arbeit. Außer Ideen natürlich. Doch da hat der Karikaturist keinen Mangel - liefern die Mächtigen aus Wirtschaft und Politik doch täglich Material im Überfluss. Früher waren CSU-Chef Franz Josef Strauß oder US-Präsident George W. Bush Opfer seiner spitzen Feder. Heute sind es Kanzlerin Angela Merkel oder Münchens Oberbürgermeister Christian Ude. Beschwert habe sich bislang kaum jemand. „Ein kluger Politiker weiß ganz sicher, dass er bei den Wählern blöd dastehen würde, wenn er sich über eine Satire öffentlich aufregen würde“, sagt der politische Zeichner aus München, der an diesem Dienstag 80 Jahre alt wird.

Dass er längst im Rentenalter ist, stört Hanitzsch nicht. Im Gegenteil. Für ihn haben seine Karikaturen und seine wöchentlichen Auftritte als einer der Moderatoren im „Sonntags-Stammtisch“ des Bayerischen Fernsehens etwas Befreiendes, kann er dann doch dem Ärger über die Machenschaften in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Luft machen. Denn ärgern - das ist für ihn sonnenklar - muss sich jeder, der die Nachrichten in Zeitung, Radio und Fernsehen verfolgt. Und das einen ganzen Tag lang, ausgenommen vielleicht sieben Stunden Schlaf.

„Deutschland, Europa, Euro - 17 Stunden müsste man sich ja ununterbrochen ärgern“, findet er. Der Normalbürger könne da höchstens einen empörten Leserbrief schreiben. „Ich kann das öffentlich verkünden, dass ich mich geärgert habe, das ist ein Privileg.“

Um seinen Beruf macht er sich Sorgen, nicht nur weil sich seiner Ansicht nach viel zu wenig Tageszeitungen regelmäßige Karikaturen leisten. „Es gibt so gut wie gar keine Nachwuchskarikaturisten auf dem politischen Sektor“, erklärt er. Zwar gebe es viele begabte junge Zeichner. „Aber die machen unpolitische Comics, weil sie sich nicht interessieren für die Politik.“

Seit vielen Jahren geht Hanitzsch regelmäßig für die „Süddeutsche Zeitung“ und den „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“ mit spitzer Feder zu Werke. Bekannt ist unter anderem „Der große Max“ über den fiktiven CSU-Bundestagsabgeordneten Max Froschhammer, seit 2004 auch als animierte Zeichenglosse im Bayerischen Fernsehen. Seit kurzem ist er auch in Dieter Hildebrandts Internet-Projekt „Störsender.tv“ auf der Suche nach unangenehmen Wahrheiten.

Begeisterter Zeichner war Hanitzsch von klein auf, angeregt durch seinen Vater, der Grafiker war, und durch die berühmten Zeichnungen von Wilhelm Busch mit dem spitzzüngigen Humor. Ritter, Indianer oder Helden aus der Nibelungensage brachte er zu Papier. Seine frühen Werke gibt es nicht mehr - sie blieben zurück, als die Familie aus dem Sudetenland floh. Doch in seiner neuen niederbayerischen Heimat Pfarrkirchen machte Hanitzsch weiter, vor allem auf dem Gymnasium. „Die Lehrer waren natürlich optimale Opfer“, erzählt er lachend. „Ich habe die Zeichnungen verkauft in der Schule für 20 Pfennig, das war eine gute Übung“.

Zorniger Handwerker: So sieht Hanitzsch sich selbst.
Zorniger Handwerker: So sieht Hanitzsch sich selbst.

© dpa

Kunst studierte er nach dem Abitur trotzdem nicht, stattdessen machte er eine Brauerlehre in Ravensburg in Baden-Württemberg, studierte BWL und wurde Wirtschaftsjournalist beim Bayerischen Fernsehen. Doch das Zeichnen ließ ihn nicht los. Nebenbei zeichnete er für die Illustrierte „Quick“. Weil diese Nebenarbeit immer mehr Zeit forderte, kündigte er schließlich beim BR und widmete sich komplett den Karikaturen, nicht zuletzt, um wieder mehr Zeit für seinen Sohn und seine Frau zu haben.

Inzwischen wurde Hanitzsch mit vielen Preisen geehrt. Zum 80. gibt es noch bis 20. Mai die Ausstellung „Gut getroffen“ im Münchner Stadtmuseum (St.-Jakobs-Platz 1, 80331 München). Und einige seiner Karikaturen-Opfer zählen zu seinen Freunden, etwa Oberbürgermeister Ude. Angst vor unkritischer Nähe hat er nicht, deshalb sieht er auch das Verhältnis zu den Mächtigen ganz entspannt: „Man ist letztlich ein Hofnarr mit dem Unterschied, dass der Hofnarr früher Gefahr lief, geköpft zu werden.“

Eine Auswahl von Hanitzsch' Arbeiten gibt es auf seiner Website.

Cordula Dieckmann

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