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Pop-Comic: "Vielleicht habe ich das von meiner Oma gelernt"

Eine bis aufs Blut zerstrittene Superheldenfamilie, die unversehens zur letzten Hoffnung der vom Untergang bedrohten Welt wird: Im Interview erzählt Rockstar Gerard Way, wie er zum Comicautor wurde

Gerard Way, der Sänger der Rockband My Chemical Romance, hat mit „The Umbrella Academy“ einen der meist diskutierten Comics der Saison vorgelegt. Moritz Honert sprach mit dem Musiker über seine zweite Leidenschaft.

Gerard, Du hast vor Jahren schon mal in der Zeichentrickbranche gearbeitet und jetzt deine erstes Album "The Umbrella Academy" veröffentlicht. Welche Beziehung hast du zu Papier?

Für viele Menschen ist ein weißes Blatt etwas sehr Einschüchterndes. Für mich aber ist das Schreiben auf Papier die unmittelbarste Art, Ideen festzuhalten. Dafür ist sicher auch die Tatsache entscheidend, dass man es anfassen kann. Ich glaube, dass diese Möglichkeit auch einer der Gründe ist, der Comics hat überleben lassen. Comics lassen sich im Gegensatz zu Musik und Filmen ja noch nicht runterladen - jedenfalls nicht inklusive des haptischen Erlebnisses.

Zeichen und Schreiben sind im Vergleich zur Arbeit mit einer Band recht einsame Jobs, oder?
Ja, sehr. Da bist ja nur du in deinem Kopf. Wenn man sich abschottet, ist man aber auch viel produktiver und schafft in Stunden, wofür sonst Tage benötigt würden.

Liegt dir das?

Ja. Besonders auf Tour habe ich ja unendlich viel Zeit totzuschlagen. Jenseits des Atlantiks werde ich nicht selten um fünf Uhr Morgens wach und muss dann nicht vor vier Uhr Nachmittags in der Lobby sein. Da habe ich viel Zeit zum Arbeiten.

Was gibt dir das Schreiben und das Zeichnen?

Es ist entspannend. Besonders das Zeichen hat einen sehr meditativen Aspekt.

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Gerard Way ist hauptberuflich Sänger der Rockband My Chemical Romance und hat nebenher die Comicreihe, »The Umbrella Academy - Weltuntergangs-Suite« geschrieben.

© Promo

Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass du ein Händchen dafür hast?

Schon als Kind. Vielleicht hab ich das Talent von meiner Oma geerbt. Die hat gemalt, mit Keramik gearbeitet und mich immer gefördert. Sie wollte nie, dass wir Kinder nur vor der Glotze abhängen. Wir sollten lieber etwas Eigenes machen.

Trotzdem hast du "The Umbrella Academy" nun nur geschrieben, nicht auch selbst gezeichnet. Diese Aufgabe hat der brasilianische Zeichner Gabriel Bá übernommen.

Was aber nicht an mangelnder Disziplin lag. Die hätte ich wohl aufbringen können. Hauptsächlich war es mir zu stressig, das ganze Equipment auf Tour ständig mit mir herumzutragen.

Womit arbeitest du eigentlich?

Zeichnen tue ich viel mit einem blauen Buntstift. Ein Erbe meiner Zeit auf der Kunsthochschule. Eigentlich benutzen den die Animateure, weil er beim Einscannen nicht mitkopiert wird. Was sonst? Tusche, Gouache. Pinsel, Als Unterlage nehme ich alles, was ist kriegen kann: Kartons, Notizbücher. Die Scripts schreibe ich hauptsächlich auf dem Computer. Unterwegs auf dem Laptop.

Schon mal nachgedacht, ein richtiges Buch zu schreiben?
Ja, in der Tat. Aber das würde wohl zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Auch wenn ich denke, dass das ein sehr belohnendes Gefühl sein muss, ein fertiges Buch in der Hand zu halten.

In deinem Comic geht es um eine Gruppe von Superhelden.

Ja, auch. Aber mehr als ein Superheldencomic ist es eine postmoderne Familiengeschichte.

Themen aus "The Umbrella Academy" sind auch für das Album "The Black Parade" verarbeitet worden. In wie weit ähneln sich das Schreiben von Songtexten und das Schreiben von Comics?

Da unsere Texte bei My Chemical Romance sehr narrativ sind, würde ich sagen, es gibt durchaus Parallelen. Die Songtexte sind aber er eher abstrakte Kurzgeschichten, während einen Comic zu schreiben, mehr von der Arbeit an einem Theaterstück hat. Ein Comic besteht textlich ja hauptsächlich aus Dialogen.

Du hast vor ein paar Jahren schon mal als Comiczeichner gearbeitet.

Ich war Penciler, also der, der die Vorzeichnungen macht, aber das hat nicht so richtig funktioniert. Vielleicht war es einfach der falsche Zeitpunkt. Dann hab ich es als Animateur versucht. Später habe ich sogar eine eigene Zeichentrick-Show entwickelt, aber die lief nicht.

Penciler, Animateur, Entwickler. Diese Arbeitsteilung klingt schwer nach Fließband.
Ja, Comics sind kommerzielle Kunst. Da ist dann einer zum Beispiel nur dafür zuständig, wie die Hintergründe aussehen. In Korea oder China sind die Studios wirklich Fabriken. Deshalb hat mich jetzt auch die Arbeit mit Gabriel Bá so gefreut. Der sitzt alleine in seinem Studio und ist wirklich ein Künstler.

Warum hast Du den Job damals geschmissen?

Zum Teil aus Frustration, zum Teil, weil ich die Band spannender fand. Bei den Cartoons redeten einem alle rein. Alle wollten ständig alles verändern, was du dir ausgedacht hast und am Ende ging's dann doch immer nur ums Geld.

Warum dann jetzt der zweite Anlauf?

Weil ich Comics liebe. Ich habe auch nicht geglaubt, dass ich das noch mal machen würde. Aber Comics sind jetzt auch was anderes als Zeichentrickserien fürs Fernsehen. Das würde ich wohl wirklich nicht mehr machen.

Sind sich die Comic- und die Musikindustrie eigentlich ähnlich?

Sicher gab es da Beeinflussungen. Denk nur an die Psychedelic Music der sechziger Jahre. Oder an Rob Zombie und seine Horrorcomics.

Ich meinte jetzt eher in Bezug auf den geschäftlichen Teil, was den Verkauf von Kreativität angeht.

Auch da gibt es sicher Parallelen. Beide sind Teile der Unterhaltungsindustrie. Aber die Comicbranche ist doch noch deutlich mehr auf die Fans ausgerichtet als das Musik-Geschäft. Es geht viel mehr darum, den Leuten, die in Blogs über die Unterhosen von Batman diskutieren, genau das zu geben, was sie wollen. Die Musikindustrie ist im Gegensatz dazu das, was der Name schon sagt: eine Industrie.

Lernt der Film eigentlich inzwischen vom Comic? Lange Jahre war das ja umgekehrt.

Sicher. Man muss sich ja nur angucken, was inzwischen alles fürs Kino adaptiert wird. Spawn, Hellboy, The Spirit. Viele Geschichten kommen aus der Comicwelt und eine Figur wie Batman ist heute im Kino da, wo sie in den Comics dank Frank Miller schon in den achtziger Jahren war.

Glaubst du, Comics sind heute so gut, wie sie sein könnten?
Ja, schon. Es gab das Silver Age mit Marvel und DC, die achtziger Jahre, in denen einige Figuren neu gedacht wurden und heute kann man sich aus dem Besten von allen Epochen bedienen. Außerdem sind Comics inzwischen wieder sehr erfolgreich. Der größte Fehler der Branche war, in den neunziger Jahren so viele scheiß Gimmicks auf die Cover zu packen und zu hoffen, dass würde von der inhaltlichen Flaute ablenken.

Dein Comic ist mit dem anerkannten "Eisner Award" ausgezeichnet worden und soll verfilmt werden. Andere Schreiber wie zum Beispiel Alan Moore wollen von so was ja nichts wissen.

Ich verstehe auch warum. Er ist Vollblutschreiber. Was anderes interessiert ihn nicht. Ich aber denke: Ich habe das Buch geschrieben, das kann mir niemand mehr wegnehmen. Ich erwarte sogar, dass der Film anders wird. Ich verstehe, dass man Eingeständnisse machen muss. Ich freue mich drauf.

Gerard Way & Gabriel Bá: The Umbrella Academy - Weltuntergangs-Suite“, Cross Cult, 19,80 Euro
Das Interview ist zuerst im Musikmagazin Visions erschienen.

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