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Von der Seuche eingeholt: Eine Szene aus der Kurzgeschichte „Die Maske des roten Todes“.

© Splitter

Richard Corben adaptiert Edgar Allan Poe: Wem die Stunde schlägt

Blut und Brüste, Leichen und Liebesszenen: Der Sammelband „Geister der Toten“ präsentiert 15 von Edgar Allan Poe inspirierte Horrorcomics von Richard Corben. Das ist nicht nur optisch prachtvoll, sondern auch erzählerisch interessant.

Gustave Doré, John Tenniel, Édouard Manet ... Es sind nicht die geringsten Künstler, die im Laufe ihrer Karriere von Edgar Allan Poes Gedicht „Der Rabe“ zu Bildern inspiriert wurden. Dieser Kreis ist nun um einen ebenfalls nicht geringen Namen reicher: Richard Corben, jenen amerikanischen Zeichner, der in den 70ern mit Beiträgen in Moebius’ Zeitschrift „Métal Hurlant“ bekannt wurde und der 2012 für sein Lebenswerk, das Underground und Hochkultur verbindet, in die „Will Eisner Award Hall of Fame“ aufgenommen wurde.

Corben ist inzwischen 74, aber sein Strich immer noch unverwechselbar: fleischig, plastisch, prall, irgendwo auf halbem Weg zwischen Peter Paul Rubens und Weltkriegs-Pin-ups.

An Poe hat Corben sich schon mehrmals gewagt. „Geister der Toten“ versammelt die 15 jüngsten Adaptionen aus den Jahren 2012–14, die nun erstmalig auf Deutsch erscheinen. Es sind fast ausnahmslos große Werke wie „Berenice“, der Krimi „Der Doppelmord in der Rue Morgue“, die Parabel „Die Maske des roten Todes“, in der eine dekadente Festgesellschaft von einer Seuche eingeholt wird und eben besagter „Rabe“, die durch das Auftauchen einer verkrüppelten Erzählerin im Stile alter Horrorcomics, von denen Corben in seiner frühen Karriere Dutzende füllte, lose verbunden sind.

Horror und Slapstick - hier passt das zusammen

Optisch ist das die erwartbare Pracht. Corben hat keine Angst vor Blut und Brüsten, Leichen und Liebesszenen. Kurz: Leben und Leiden in allen Facetten. Allerdings sind die Adaptionen auch erzählerisch interessant. Denn Poes Texte finden recht frei Verwendung. Für „Der Rabe“ beispielsweise dient das titelgebende Gedicht nur als Klammer, auf den Seiten dazwischen lässt der Zeichner den Protagonisten in Wachträumen und ungekünstelter Sprache seiner verstorbenen Leonore nachweinen.

Underground und Hochkultur: Das Cover des besprochenen Buches.
Underground und Hochkultur: Das Cover des besprochenen Buches.

© Splitter

Corben begeht also nicht den Fehler vieler andere Adaptisten von Horrorerzählungen. Seine Versionen versuchen gar nicht, als Ersatz für die Prosatexte zu dienen, sondern verweisen darüber hinaus, denken von Poe Unausgesprochenes mit, spielen mit im Original nur Angedeutetem wie dem Inzest in „Der Untergang des Hauses Usher“. Dass der Horror trotz einiger Slapstick-Momente funktioniert – Roderick Ushers Besucher schlägt sich beispielsweise ständig den Kopf – unterstreicht Corbens Könnerschaft noch.

Edgar Allen Poe & Richard Corben: Geister der Toten, Splitter, Übersetzung Bernd Kronsbein, 216 Seiten, 29,80 Euro

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