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Menschen und Maschinen: Eine Szene aus dem Buch.

© Carlsen

Science-Fiction-Comic: In der Zukunft nichts Neues

Auch nachdem der Mensch das Weltall erobert hat, ist der Krieg oft schrecklich sinnlos. Das führt Mark Marvanos Comic-Adaption von Joe Haldemans Science-Fiction-Klassiker „Der ewige Krieg” eindrucksvoll vor. Jetzt wurde die vom Vietnamkrieg inspirierte Erzählung als Sammelband neu veröffentlicht.

Egal ob H. G. Wells’ „Krieg der Welten“ (1898) oder Robert Heinleins „Starship Troopers“ (1959) – das Thema Krieg ist in der Science Fiction schon immer ziemlich präsent gewesen. Als der amerikanische Science-Fiction-Autor Joe Haldeman erschüttert und schwer verwundet aus Vietnam zurückkehrte, verpackte er seine düsteren Gedanken zur Sinnlosigkeit des Krieges ebenfalls in einem eindringlichen, damals weitgehend beispiellosen Science-Fiction-Roman, der sich über alle Maßen kritisch mit dem Krieg im Allgemeinen und dem Vietnamkrieg im Besonderen auseinandersetzte. Denn auch nach Haldemans Heimkehr schickte die US-Regierung noch junge Menschen zum Leiden und Sterben in die Dschungel Vietnams, und so projizierte ein zutiefst bestürzter Haldeman seine Erfahrungen nach seinem noch in der Gegenwart angesiedeltem Romandebüt „War Year“ in dem Nachfolgerwerk „The Forever War“ („Der ewige Krieg“) auf die Zukunft und das Science-Fiction-Genre, wo die Menschen einmal mehr erfahren müssen, dass Kriege endlos, der vermeintliche Feind unschlagbar und der Sieg nichts mehr als eine Illusion sein können.

18 Verlage lehnten das Manuskript ab

„Platoon“ und Co. waren Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger noch relativ weit entfernt, Vietnam in Hollywood und New York noch absolut tabu. Anders gesagt: Die Verleger in Haldemans Heimat scheuten das Thema in jenen Tagen wie der Teufel das Weihwasser. Unverhohlene Bezüge zum noch viel zu präsenten Vietnam-Trauma, ein sehr offener Umgang mit Sexualität und Drogen – das war für die damalige Zeit und die damaligen Verhältnisse einfach zu viel. 1972 begann jedoch der unerschrockene Ben Bova, Teile des Romans als einzelne Geschichten auf den Seiten des damals wohl wichtigsten und einflussreichsten amerikanischen SF-Magazins „Analog“ abzudrucken, dessen Chefredakteur Bova, seines Zeichens selbst gestandener SF-Autor, kurz zuvor erst geworden war.

Leiden und Sterben: Ein Ausschnitt aus dem Buch.
Leiden und Sterben: Ein Ausschnitt aus dem Buch.

© Carlsen

In dieser Zeit lehnten 18 Verleger Haldemans aus mehreren Erzählungen zusammengesetztes Manuskript von „Der ewige Krieg“ ab. Erst 1974 fand sich mit St. Martin’s Press ein Verlag, der sich trotz der Proteste und empörten Ausrufe, die den Vorabdrucken in „Analog“ unweigerlich folgten (und nach einem entsprechenden Aufruf von Ben Bova von noch mehr begeisterten Leserbriefen egalisiert wurden), an eine Buchausgabe des grandiosen Antikriegs-Reißers wagte, die prompt mit dem Hugo, den Nebula und den Locus Award ausgezeichnet wurde, den wichtigsten Preisen des Genres.

Rückkehr in die Zukunft

In Haldemans Geschichte dreht sich alles um den Soldaten William Mandella, der in der nicht allzu weit entfernten Zukunft in einen galaktischen Feldzug fern der Heimat geschickt wird. Aber nicht nur die Sinnlosigkeiten und Grausamkeiten des Krieges selbst erschüttern den Soldaten am anderen Ende des Universums. Das Raum-Zeit-Paradoxon führt außerdem dazu, dass die Erde ein völlig anderer Ort ist, als Mandella und die wenigen Überlebenden des ersten Feldzugs im All schwer gezeichnet und für immer geprägt in ihre Heimat zurückkehren. So wird ihre vermeintlich freudige Rückkehr zu einem extrem schockierenden und deprimierenden Erlebnis. Die Konfrontation mit einer Welt, die sich in allen Teilen des Lebens massiv gewandelt hat, während die Soldaten in der Ferne gekämpft haben und für sie kaum Zeit vergangen ist, stellt noch immer das Glanzstück der Geschichte des ewigen Krieges dar. Der blutige Wahnsinn des Schlachtens und Mordens im Weltall, dem die Erfahrung totaler Entwurzelung folgt, ehe der Veteran Mandella und seine Geliebte Marygay Potter mit einer neuen Generation Soldaten erneut in den Krieg zwischen den Sternen ziehen - das ist im Roman wie im Comic unsagbar intensiv und beklemmend und ein echtes Highlight dieses Science-Fiction-Meisterwerks, das zum Jahrtausendwechsel nicht umsonst der erste Band der populären englischsprachigen Science Fiction Masterworks-Taschenbuch-Reihe wurde.

Auf einer Stufe mit Hemingway und Remarque

„Ich bin gegen den Krieg, nicht gegen die Soldaten“, sagt Haldeman, dessen Roman eine griffige Mischung aus gefälliger Unterhaltung und so genannter „Hard-SF“ ist, also „harter Science Fiction“ mit einem Fokus auf Technik und Wissenschaft. Haldeman vermengte seine genretypischen Fakten und Zutaten äußerst geschickt und baute mit der freizügigen und bisweilen tragischen Liebesgeschichte zwischen Mandella und Potter sogar ein gut funktionierendes romantisches Element in seine Handlung ein. So wurde aus „Der ewige Krieg“ ein einerseits knallharter Military- und Hard-SF-Roman, andererseits aber zugleich ein mitreißender, vielseitiger und sehr menschlicher Antikriegsroman.

Blutiger Wahnsinn: Ein Ausschnitt aus dem Buch.
Blutiger Wahnsinn: Ein Ausschnitt aus dem Buch.

© Carlsen

Die Science Fiction kämpft obligatorisch gegen ihr Image und wird, so weit das eben möglich ist, gerne ignoriert oder zumindest abgetan – in einer gerechten Welt würde Haldemans „Der ewige Krieg“ in den Regalen neben Hemingway und Remarque stehen.

Zukunftsparabel in starken Bildern

1980 war Joe Haldeman Ehrengast auf der Beneluxcon, wo ihm der belgische Comic-Künstler Mark van Oppen alias Marvano („Die Sieben Zwerge“) erstmals vorschlug, den viel beachteten Science-Fiction-Roman in Comicform zu adaptieren. 1988 erschien besagte Comic-Adaption dann auch in drei Teilen. Marvano, als Zeichner in letzter Konsequenz sicherlich stärker denn als Szenerist, profitiert erheblich von der starken Vorlage. Natürlich muss der Comic einige Kürzungen und Abstriche machen, schließlich umfasst Haldemans ewiger Krieg beinahe 1000 Jahre. Der Kern der Geschichte bleibt trotz allem vollkommen unangetastet und wurde von Marvano in starken Bildern eingefangen – und wird der Vorlage jederzeit gerecht.

Carlsen hat der eindringlichen, letztlich ungebrochen aktuellen Zukunftsparabel zum Thema Krieg nun einen hübschen Hardcover-Sammelband spendiert, ergänzt um ein Vorwort von Joe Haldeman sowie einen Briefwechsel zwischen Haldeman und Marvano im Anhang. Allerdings hätten ein paar Hintergrundinformationen zur Romanvorlage dem positiven Gesamtbild keineswegs geschadet.

Haldeman siedelte in späteren Jahren übrigens noch weitere Romane und Erzählungen in seinem erfolgreichen „Forever War“-Universum an. Die Fortsetzungen des Comics, die er und Marvano schufen und die bisher nur im französischen Original erschienen sind, basieren zum Teil sogar auf „Der ewige Friede“, dem ersten Nachfolgeroman von 1999, der aber nicht mehr ganz an den so nachhaltigen Vorgänger anknüpfen konnte. Darüber hinaus erweiterten Haldeman und Marvano ab 1996 in „Dallas Barr“ Haldemans Roman „Gekauftes Leben“ von 1989 deutlich über das Ende der Buchvorlage hinaus.

Komplett: Das Titelmotiv des Sammelbandes.
Komplett: Das Titelmotiv des Sammelbandes.

© Carlsen

„Der ewige Krieg“ wird jedoch im Buch wie im Comic immer ihr ewiges Meisterwerk bleiben: Ein Superlativ für die Möglichkeiten der Science Fiction und die kritische Beschäftigung mit Vietnam – und letztlich mit jedem anderen Krieg, ob nah oder fern.

Joe Haldeman & Marvano: Der ewige Krieg, Hardcover, 168 Seiten, Carlsen

Der Blog unseres Autors Christian Endres findet sich hier: www.christianendres.de.

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