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Bäriger Beschützer: Eine Szene aus „Unvermögen“.

© Edition Moderne

Science-Fiction-Comic „Unvermögen“: Wie die Dystopie in Atmosphäre verschwindet

Andreas Kieners Science-Fiction-Comic „Unvermögen“ beeindruckt durch Farben, Layouts und Stimmungen. Doch so richtig will die Geschichte nicht funktionieren.

Die Dinge stehen im 23. Jahrhundert nicht zum Besten. Die Menschen leben in gigantischen Städten, deren Architektur und Infrastruktur verdächtig nach alter Science-Fiction aus dem 20. Jahrhundert aussehen. Kontrollstaat und Überwachung sind omnipräsent.

Eine Doppelseite aus „Unvermögen“.
Eine Doppelseite aus „Unvermögen“.

© Edition Moderne

Das kommt einem bekannt vor. Denn der Schweizer Künstler Andreas Kiener erfindet in seinem Comic „Unvermögen“ (Edition Moderne, 160 S., 32 €) weder die Science-Fiction noch die Dystopie neu. In dieser fast vertrauten Welt lässt er das Mädchen Ali auftreten, das mit dem großen Teddybärenroboter Rob nach seiner Mutter sucht.

Und da fangen die Probleme an. Also für die Leserinnen und Leser, nicht für Ali und den Teddybärenroboter. Denn von Ali bleibt viel zu viel im Ungewissen. Für sie entwickelt sich über 160 Seiten keinerlei Empathie. Trauriges Schicksal, keine Frage, aber Kiener verpasst es, dieser Figur Seele zu verleihen. Auch ist es eben eine bekannte Erzählposition. Wer sie bedient, muss liefern – und eine interessante Hauptfigur hinstellen.

Doch Ali bleibt merkwürdig blass über viele Strecken des Comics. Leser erfahren wenig bis nichts – und wenn sie etwas erfahren, ist es banal. Allerdings kann Kiener dies mit Farbe und Atmosphäre fast vergessen machen. Denn der 1986 geborene Zeichner ist ein Meister für Stimmungen und deren Wechsel. Der grandiose Einsatz von Farben weckt zumindest Gefühle, strahlt Wärme in die Geschichte. Oder kühlt an einem Wendepunkt das Geschehen ab.

Eine weitere Szene aus „Unvermögen“.
Eine weitere Szene aus „Unvermögen“.

© Edition Moderne

Kiener kombiniert die Farben in einer Art und Weise, die sich sehr von anderen Comics über Zukunft unterscheidet. Alles wirkt viel organischer, lebendiger. Mit seinem Strich verbindet sich all das zu guten Layouts, die den Blick angenehm führen. Nur: So zeigt sich noch eine weitere Schwäche von „Unvermögen“: Kieners Figuren haben eine sehr einfache Mimik.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Edition Moderne

Es kommt klar rüber, was die jeweilige Person empfindet, aber es lässt sich nichts sonst ablesen. Keine Zwischentöne, keine unausgesprochenen Dinge. Es fehlt der Subtext. Dementsprechend passiert in der Geschichte wenig bis nichts, was sich nicht bereits nach den ersten Seiten vermuten lässt.

[Mehr Angst vor der Zukunft war selten: Nicht nur in der Literatur, sondern auch im Comic machen Dystopien einen großen Teil der aktuellen Veröffentlichungen aus - mehr dazu hier. Und hier gibt es weitere Rezensionen aktueller Science-Fiction-Comics: Schön ist die Welt nach dem Weltuntergang, Revolution im Weltraum, Das fliegende Klassenzimmer

So fühlt sich „Unvermögen“ wie ein guter Song an, der mit jedem weiteren Durchlauf jedoch nerviger wird. Auch weil klar ist, dass Kiener mehr kann und in dieser Geschichte durchaus mehr Potential vorhanden ist.

Erst auf den letzten zehn Seiten kommen Ali und Rob dem Leser zumindest etwas näher. Da passen Dialog, Farbe, Mimik, Geschichte, einfach alles. Obwohl, so viel sei verraten, Ali und Rob kein Stück weiter sind. Die Zukunft dreht sich eben auch nur im Kreis. Björn Bischoff

Björn Bischoff

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