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Stadtbilder - neue Comics aus Berlin: Hetzjagd auf das Leben

In unserer neuen Serie stellen wir aktuelle Comics aus Berlin vor. Heute: „Paffy“ von Michael Schröter.

Aus keiner anderen deutschen Stadt kommen so viele Comics wie aus Berlin. In einer neuen Reihe würdigen wir aktuelle Werke wenig bekannter Zeichner, die noch darauf warten, entdeckt zu werden. So wie die autobiographische Erzählung „Paffy“ von Michael Schröter, die wir heute präsentieren.

Vier Worte fassen die Philosophie zusammen, mit der sich der langhaarige Paffy und seine Kumpels ins Wochenende stürzen: „Wir wollen bloß leben.“ Das entgegnet die jugendliche Hauptfigur von Michael Schröters erster abgeschlossener Comicerzählung dem Kellner, der die jungen Rabauken in der Tanzbar zur Ordnung ruft.

Es ist eine „Hetzjagd auf das wahre Leben“, so der Ich-Erzähler, die ihn und seine Freunde dazu antreibt, alles aus dem Wochenende rauszuholen, bevor sie am Montagmorgen zurück ins verhasste Berufsleben müssen.

„Paffy, der Outlaw“ ist eine wilde, lebensfrohe Zeitreise ins Ost-Berlin der 70er Jahre, für die Schröter eigene Jugenderinnerungen zusammen mit dem befreundeten Musiker, DJ und Schriftsteller Henning Rabe aufgeschrieben und in einem dynamischen Comic aufgearbeitet hat.

Es wird kräftig gefeiert und geflirtet, getrunken und gegen die Eltern oder die Ordner beim Fußballspiel rebelliert. Den Soundtrack dazu liefern Janis Joplin und die Stones, Jefferson Airplane oder Led Zeppelin, deren Songs sich in Textzitaten durch viele Bilderstrecken ziehen.

In dynamischem Strich und mit knallbunten Farben schildert Schröter alltägliche Kämpfe mit den linientreuen Eltern um die West-Jeans, ausgelassene Stunden beim und nach dem Union-Spiel in der Alten Försterei oder kleinere Reibereien mit Polizisten, Kellnern und anderen Autoritäten, denen die ungestüme Lebenslust von Paffy und seinen ewig Sprüche klopfenden Freunden bedrohlich erscheint. Es ist eine offenherzige, so raue wie sympathische und mit Ecken und Kanten gezeichnete Geschichte, die Schröter erzählt – und in der sich viele andere ehemalige Teenager wiedererkennen dürften, egal, ob sie ihre wilden Jahre in Ost oder West verbracht haben.

90 Prozent von Paffys Erlebnissen sind authentische Erfahrungen des Zeichners, dazu kommen ein paar künstlerische Freiheiten, die sich Schröter und sein Autor und Storyboarder Rabe genommen haben. Noch hat sich für den 80-Seiter kein Verlag gefunden. Auch wenn dieser Comic Schröters erste in sich abgeschlossene grafische Erzählung ist – ein Neuling der grafischen Bilderzählung ist der 1962 in Berlin-Prenzlauer Berg geborene Zeichner schon lange nicht mehr. Er arbeitete als Szenenbildner beim Fernsehen der DDR, war in den 80er Jahren und dann noch einmal von 1995 bis 1997 Grafiker bei der Comiczeitschrift „Mosaik“, Animationszeichner bei Hahn-Film, (u.a. „Asterix in Amerika“) und arbeitet seit 1998 als freier Grafiker. Als solcher zeichnet er u.a. seit 2005 die ganzseitigen Abrafaxe-Strips für den „Berliner Kurier“ und arbeitete an der Comicumsetzung der Fernsehserie „Berlin, Berlin“.

Autor und Zeichner Michael Schröter.
Autor und Zeichner Michael Schröter.

© Privat

Die Idee zu „Paffy“ entstand durch seinen Wunsch, eine Geschichte zu erzählen, „die mit der Subkultur der DDR und der Musik, die ja immer das Wichtigste ist, zu tun hat“, sagt Schröter. Dass er dann in der Figur Paffy selbst zur Hauptperson wurde, habe sich nach und nach durch die Zusammenarbeit mit Henning Rabe entwickelt. Im Nachhinein fällt ihm besonders auf, „um wie viel leichter man damals eine eigene Identität entwickeln konnte“. Dass er sich gerade jetzt, mit knapp 50, noch einmal intensiv mit seiner Jugend in den 70er Jahren auseinandersetzt hat auch biographische Gründe: „Vielleicht auch durch meine Erfahrungen mit meiner 18-jährigen Tochter und den Austausch darüber sind bei mir die Türen wieder aufgegangen.“ 

Hinweis: Michael Schröter kann unter der E-Mail-Adresse bubiester@yahoo.de kontaktiert werden. Wer weitere Comics kennt, die in unsere Reihe „Stadtbilder - neue Comics aus Berlin“ passen würden, kann uns eine Mail an comics@tagesspiegel.de schicken. Einsendungen per Post an Lars von Törne, Der Tagesspiegel, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin.

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