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Ökologischer Ausnahmezustand: Eine Seite aus „Minivip & Supervip“.

© Splitter

Vips for Future: Zwei Superhelden suchen das Glück

„Herr Rossi sucht das Glück“ machte Bruno Bozzetto international berühmt. Nun wird ein anderer Trickfilmklassiker des Italieners als Comic fortgesetzt.

Der eine ist groß, breitschultrig, stark und einfältig. Der andere ist klein und schwächlich, sein übergroßer Kopf und seine dicke Hornbrille kennzeichnen ihn als Intellektuellen. Richtig fliegen kann nur der Große, während der Kleine ein begnadeter Erfinder ist. Beide tragen rote Strampelanzüge mit einem dicken „V“ auf der Brust. Superhelden? Ja, unsterbliche sogar.

Die Rede ist von den Brüdern „Supervip“ und „Minivip“, die dem uralten Superhelden-Geschlecht der „Vips“ entstammen, das – so zeigt ein gezeichneter Stammbaum - bis in die Steinzeit reicht.

Superheldenpersiflage mit einem Hauch James Bond

Das herrlich skurrile Brüderpaar, das in der jüngst im Splitter Verlag erschienenen Graphic Novel „Minivip & Supervip“ (280 Seiten, Hardcover, 39,80 €) auftaucht, stammt eigentlich aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Kein geringerer als Bruno Bozzetto, der Starregisseur des italienischen Trickfilms der 60er und 70er Jahre, erschuf damals einen abendfüllenden Zeichentrickfilm um die „Vips“.

Vielen Fernsehzuschauern wird seine Zeichentrickserie „Herr Rossi sucht das Glück“ (um einen sympathischen Kleinbürger) noch in bester Erinnerung sein. Der 1938 geborene Bruno Bozzetto gilt als (Anti-) „Disney“ des italienischen Trickfilms und schuf ab Ende der 50er Jahre zahlreiche humoristische Kurzfilm-Perlen mit satirisch-poetischen Qualitäten (darunter auch „Signor Rossi“-Filme) sowie abendfüllende Zeichentrickfilme wie „VIP-Mein Bruder der Supermann“.

Comeback: Eine Szene aus „Minivip & Supervip“.
Comeback: Eine Szene aus „Minivip & Supervip“.

© Splitter

Jüngst ist der Film in restaurierter Version im Rahmen einer DVD-Box bei Koch Films erschienen (zusammen mit Kurzfilmen und anderen Hauptwerken Bozzettos, wie der Western-Parodie „Der wildeste Westen“ von 1965 und „Allegro non troppo“ von 1976, einer Parodie auf Walt Disneys Film „Fantasia“, in dem er bekannte Stücke der klassischen Musik auf originelle Weise in animierten Versionen interpretierte).

Da Bozzetto nicht das Budget eines Walt Disney hatte, versuchte er sich gar nicht erst an einer ähnlich naturalistischen Ästhetik und setzte vielmehr auf eine einfachere, flächige und zugleich originelle Ästhetik, die seine stets gesellschaftskritischen, satirischen Inhalte auch kongenial transportierten.

„VIP-Mein Bruder der Supermann“ entstand im Unruhejahr 1968. Das war eine pointierte Superheldenpersiflage, die zugleich auch die damals erst aufgekommene James Bond-Filmreihe mit ihren Superschurken genüsslich parodierte. Wissenswert: Am Ende des Films haben beide Helden mit Nervustrella und Lisa zwei Partnerinnen gefunden, die jeweils bestens zu ihnen passen.

Liebesgeschichte ohne Worte

Bozzetto produzierte 2008 eine TV-Animationsserie, die an den erfolgreichen Film anknüpfte: „PsicoVip“. Hier liegt MiniVip bei einem Therapeuten auf der Couch und spricht über sein Verhältnis zu seinem Bruder. Der 3D-Look der 26, jeweils vierminütigen Folgen reichte jedoch nicht im Entferntesten an Bozzettos ältere analogen Filme heran.

Nun hat der 1968 (sic!) geborene Zeichner Grégory Panaccione - zusammen mit Meister Bozzetto höchstselbst, der sich hier auf das Szenario beschränkt - eine Fortsetzung des Films in Comicform geschaffen: „Minivip & Supervip – Das Geheimnis des Hin-und-Weg“.

Der in Frankreich aufgewachsene, heute in Mailand lebende Panaccione verzauberte die Leser bereits vor einigen Jahren mit seinem One-Shot „Ein Ozean der Liebe“ (Szenario: Wilfrid Lupano, erschienen 2015 im Splitter Verlag), einer virtuos gezeichneten, gänzlich ohne Worte auskommenden Liebesgeschichte, die stilistisch bereits eine unverhohlene Hommage an Bruno Bozzettos flächige wie frech-humorige Ästhetik darstellte.

Das Titelbild des besprochenen Buches.
Das Titelbild des besprochenen Buches.

© Splitter

Inhaltlich knüpft die Graphic Novel an das Ende des Films an. Während Minivips Freundin Nervustrella schwanger ist, steckt Super-Vip in einer tiefen Depression, da ihn seine geliebte Lisa verlassen hat. Auf der Erde herrscht (in naher Zukunft) extreme Luftverschmutzung, der Autoverkehr ist noch monströser geworden.

Doch auf dem fernen Planeten „Sparky“ gibt es ebenfalls Umweltprobleme (extreme Luftfeuchtigkeit) und dessen an eine Riesenkröte erinnernde Alien-Herrscherin „Fruchtbar für immer“ plant, ihre Eierkolonie auf die Erde zu bringen. Dafür muss natürlich die Menschheit ausgerottet werden. Mithilfe des „Hin-und-Wegs“ können sich die Außerirdischen auf die Erde und zurück nach Sparky „beamen“. Doch eins dieser Taschenlampen-ähnlichen Geräte ist auf der Erde verloren gegangen...

Grüne Männchen und ein sensibler Riesenaffe

Typisch Bozzetto, strotzt der Plot nur so vor überdreht-witzigen Einfällen und Anspielungen auf bekannte Science-Fiction-, Fantasy- und Film-Klischees. Das Thema Umweltverschmutzung wird nebenbei angeschnitten, jedoch ohne moralisierenden Beigeschmack. Neben den beiden sympathisch-neurotischen Antihelden Minivip und Supervip, die sich zu Rettern der Welt entwickeln, treten noch weitere hinreißende Charaktere auf, wie ein cleveres grünes Männchen namens Willie und „Sing Song“, ein höchst sensibler Riesenaffe.

Zeichner Grégory Panaccione gelingt eine zeichnerische Glanzleistung. Er orientiert sich ganz an der flächigen Ästhetik von Bozzettos Vip-Film und modernisiert diesen Retro-Look subtil, vor allem durch ausgefeilte, detailreiche Zeichnungen und eine nuancierte wie aufwendige Farbgebung, die die einzelnen Panels wie Filmstills aussehen lässt.

„Minivip & Supervip“ ist auch ohne Kenntnis des Films gut verständlich und eine höchst vergnügliche Parodie, die angesichts der nicht enden wollenden, hyperrealistischen und sich oft allzu ernst nehmenden Kino-Superhelden-Schwemme einer geistig-ästhetischen Erfrischungsdusche gleichkommt.

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