zum Hauptinhalt
Steine gegen Panzer: Eine Seite aus dem besprochenen Buch.

© Metrolit

Volksaufstand 17. Juni 1953: Eine Liebe im Schatten der Panzer

Der Comic „17. Juni – Die Geschichte von Armin & Eva“ vermittelt exemplarisch die menschlichen Schicksale hinter dem Aufstand vor 60 Jahren. Auch weitere Bilderzählungen führen deutsch-deutsche Geschichte vor Augen.

Sie waren voller Hoffnung und fühlten sich unbesiegbar – bis die Panzer kamen. Der Comic „17. Juni – Die Geschichte von Armin & Eva“ dürfte vor allem jüngeren Lesern ein Gefühl dafür vermitteln, was vor 60 Jahren beim blutig niedergeschlagenen Aufstand gegen die DDR-Staatsmacht und ihre sowjetischen Beschützer auf dem Spiel stand.

Anhand der fiktiven Geschichte eines Brigadeleiters aus dem Stahlwerk Hennigsdorf, der einen Protestmarsch tausender Kollegen nach Berlin anführt, machen die Historiker Alexander Lahl, Tim Köhler und Max Mönch die menschlichen Dramen hinter dem aus vielen kleinen Protesten erwachsenen Aufruhr anschaulich. Sie führen vor, wie man in der DDR mit Menschen verfuhr, die die Planwirtschaft und die Willkür der kommunistischen Herrscher kritisierten.

Die Zeichnungen der Berliner Malerin und Designerin Kitty Kahane wirken leider eher ungelenk und schlicht, werden aber weitgehend kompensiert durch die packende Geschichte eines jungen Ost- West-Liebespaars, das durch die Ereignisse auseinandergerissen wird. Die Hauptfigur landet als vermeintlicher Rädelsführer der Proteste im berüchtigten sowjetischen Arbeitslager Workuta, das er nicht überlebt. Nur mit Hilfe eines Reporters erfährt seine in West-Berlin lebende Verlobte von seinem Schicksal – die ganze Wahrheit bekommt sie allerdings erst nach dem Fall der Mauer von einem einstigen Haftgefährten ihres Verlobten mitgeteilt. Das wird ergänzt durch historische Einschübe, die sich an Leser ohne großes Vorwissen richten.

Unter den vielen Comics, die sich in den vergangenen Jahren mit dem Alltag und dem politischen System der DDR beschäftigt haben, ist dies allerdings einer der schwächeren. So sind die beiden Bücher von Thomas Henseler und Susanne Buddenberg, „Grenzfall“ und „Berlin – Geteilte Stadt“, für jüngere Leser besonders empfehlenswert, ebenso deren kürzlich veröffentlichte Kurzgeschichte „Tunnel 57 – Eine Fluchtgeschichte als Comic“. Statt einer fiktiven Episode schildern die beiden Berliner reale Schicksale, von denen die DDR-Geschichte genügend zu bieten hat. Und sie sind im Gegensatz zu „17. Juni – Die Geschichte von Armin & Eva“ auch zeichnerisch professionell umgesetzt. Auch Simon Schwartz’ vor vier Jahren erschienene deutsch-deutsche  Familiengeschichte „drüben!“ (Avant, 108 Seiten, 14,95 Euro) besticht durch Authentizität und analytischen Tiefgang.

Einen persönlichen Rückblick auf die DDR der 1970er und 80er Jahre bietet der Berliner Comicautor Peter „Auge“ Lorenz. Unter dem Titel „Das Land, das es nicht gibt“ verarbeitet der gebürtige Ost- Berliner eigene Erfahrungen, kürzlich erschien im JaJa-Verlag das erste 48-Seiten- Heft (10 Euro, www.jajaverlag.com), in dem es um seine Erfahrungen bei der Nationalen Volksarmee geht.

Kitty Kahane, Alexander Lahl, Tim Köhler und Max Mönch: „17. Juni“, Metrolit, 102 Seiten, 15,99 Euro. Comic-Lesung am Montag im Tränenpalast (20.30 Uhr, Reichstagufer 17, Mitte), Eintritt frei

Zur Startseite