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Contergan-Film: WDR streitet um Senderecht

Das Hamburger Oberlandesgericht will im April über die bisher untersagte Ausstrahlung eines Fernsehfilms zum Contergan-Skandal entscheiden, so die Vorsitzende Richterin nach einer Berufungsverhandlung.

Hamburg - Zugleich deutete sie an, dass die Berufung des Westdeutschen Rundfunks (WDR) und der Produktionsfirma Zeitsprung gegen das Verbot des Films in seiner bisherigen Fassung weitgehend Erfolg haben könnte. "Wir sind uns in vielen Punkten aber noch nicht hundertprozentig sicher", betonte die Richterin.

Der Film "Eine einzige Tablette" thematisiert die Affäre um das Schlafmittel Contergan, nach dessen Einnahme tausende Frauen Ende der 50er-Jahre missgebildete Kinder geboren hatten. Der Contergan-Hersteller Grünenthal und ein betroffener Anwalt hatten die Sendung des Films im vergangenen Sommer mit einer einstweiligen Verfügung des Hamburger Landgerichts verhindert. Die Grünenthal GmbH (Aachen) und der Anwalt, an dessen Lebensgeschichte sich der Film anlehnt, hatten an dem Drehbuch mehr als ein Dutzend Passagen beanstandet, in denen sie eine Verdrehung der historischen Tatsachen und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten sahen.

Fiktionale Geschichte zum Thema

Anders als die Vorinstanz stützt sich das Oberlandesgericht (OGL) bei seiner Bewertung auf den fertigen Film, den der renommierte Regisseur Adolf Winkelmann ("Die Abfahrer", "Jede Menge Kohle") inszeniert hat und aus dem bereits etliche beanstandete Passagen entfernt wurden. "Der Film ist doch weitgehend entschärft im Vergleich zum Drehbuch", sagte die Richterin. Im Falle des klagenden Anwalts sehe das Gericht nach einer vorläufigen Einschätzung nun keinen Anlass mehr für ein Verbot. Im Sinne des Klägers Grünenthal gebe es nur noch wenige Beanstandungen an dem Film.

Der WDR und Zeitsprung erklärten sich bereit, im Vor- und Nachspann des Films deutlich auf die Fiktion der erzählten Geschichte und der darin handelnden Personen hinzuweisen, gleichzeitig aber auch die reale Grundlage des Stoffs kenntlich zu machen. Das OLG gab den Streitparteien noch eine Woche Zeit, sich auf einen Vergleich zu einigen. Die Chancen dafür schätzten beide Seiten zurückhaltend ein. Das Gericht hat eine Urteilsverkündung für den 10. April geplant.

Schlafmittel der Wirtschaftswunderjahre

Das Schlafmittel Contergan war 1957 in Deutschland auf den Markt gekommen und wurde schwangeren Frauen empfohlen, weil sein Wirkstoff Thalidomid auch die morgendliche Übelkeit von Schwangeren linderte. Erst 1960 wurde bekannt, dass Thalidomid beim Embryo zu Fehlbildungen an Organen und Gliedmaßen führt. In Deutschland waren rund 5.000 Kinder davon betroffen. Ein mehrjähriger Prozess um den Arzneimittelskandal gegen sieben leitende Angestellte von Grünenthal wurde 1970 vom Aachener Landgericht eingestellt. Die Firma brachte gut 50 Millionen Euro in eine Stiftung für die Contergan-Opfer ein. (tso/dpa)

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