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Kultur: Corelli spumante

Wer Corellis vielgerühmte Concerti op. 6 bisher vor allem als Musterbeispiele einer erhabenen kompositorischen Klarheit, einer vollendeten Ausgewogenheit von Klangsprache, Form und Spieltechnik vernommen hat, wird über die fortreißend-virtuose, die farbsprühende, allerdings auch sehr forsche Darbietung durch das Ensemble "Europa Galante" sehr erstaunt gewesen sein.

Wer Corellis vielgerühmte Concerti op. 6 bisher vor allem als Musterbeispiele einer erhabenen kompositorischen Klarheit, einer vollendeten Ausgewogenheit von Klangsprache, Form und Spieltechnik vernommen hat, wird über die fortreißend-virtuose, die farbsprühende, allerdings auch sehr forsche Darbietung durch das Ensemble "Europa Galante" sehr erstaunt gewesen sein. Und er wird sich sogleich seine Gedanken darüber gemacht haben, was das Wörtchen "Galante" so alles bedeuten kann. Keine Frage, diese heißblütige Truppe aus Mailand mit dem Geigenvirtuosen Fabio Biondi an der Spitze ist nicht zuallererst bedacht auf einen klassisch ausbalancierten Stil, auf stille Größe in den langsamen Sätzen, auf vornehme Zurückhaltung. Die beinahe paganinihaft-brillanten elf Streicher und der kapriziöse Cembalist Sergio Ciomei erstarren nicht in Ehrfurcht vor der genialischen Musik ihres Landsmannes. Sie gehen außerordentlich vital mit ihr um, legen einen Affenzahn an den Tag, riskieren aberwitzige Kapriolen und eine geradezu szenische Kontrastfülle.Man spürt es allenthalben, daß sie aus dem Mutterland der Oper kommen. Und nicht nur Fabio Bondi, sondern auch Raffaello Negri zeigte auf der Barockvioline danach ein staunenswertes geigerisches Können bei Konzerten von Vivaldi für ein und zwei Violinen. Sie drehten dabei mit ihren Hexenmeisterkünsten ganz schön auf. Und gerieten bisweilen etwas in die Gefahr, die Klangeffekte zu dick aufzutragen, zu theatralisch in Aktion zu treten. Die Homogenität, die Transparenz gingen gelegentlich in die Binsen - und die tollkühnen Tempi liefen auch mal ins Leere. Die Mailänder musizieren zwar nach allen Regeln der alten Aufführungspraxis, aber es mischen sich doch auch einige altmodisch-pathetische, rhetorisch allzu emphatische Gesten in ihr Spiel - bei den Schlüssen sogar auf unangenehm aufgesetzte Art. Bei Johann Sebastian Bachs Cembalo-Konzert D-Dur BWV 1054 (die Bachsche Eigenbearbeitung des E-Dur-Violinkonzertes) wollte sich schließlich aufgrund des zu dickflüssigen, sich leicht auf manierierte Weise verselbständigenden Streicherklanges ein animierendes Wechselspiel nicht ergeben, so elegant auch Sergio Ciomei seinen Solopart meisterte.Das Beste zum Schluß. Die Wilhelm-Friedemann-Bach-Sinfonie "Die Dissonanzen" brachte mit ihren beißend-scharfen, am Ende fast schon mozartischen Wendungen tatsächlich die eigentliche Überraschung des Abends - und die tiefgreifendste Interpretation. Bei dem so widerborstigen wie kühn nach vorn weisenden Stück mit dem glückhaft aufgehellten Ausklang machte der Mut zu unerhörten Kontrasten, den die überschäumend temperamentvollen Mailänder von Anbeginn an riskierten, auch Sinn.

ECKART SCHWINGER

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