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Therapie in Tunis. Psychoanalytikerin Selma (Golshifteh Farahani).

© Prokino

Culture-Clash-Komödie mal anders: „Auf der Couch in Tunis“ bringt Psychoanalyse in die arabische Welt

In der Komödie von Regiedebütantin Manele Labidi öffnet eine Rückkehrerin in ihrer Heimat Tunis eine psychotherapeutische Praxis.

Von Andreas Busche

Das Reden über den Akt des Redens ist selbst schon eine kleine Transferleistung in Sachen interkultureller Kommunikation. Nicht immer ist dasselbe gemeint: das Reden kann eine politische Hinhaltetaktik („Filibuster“) sein, als subtile Drohung benutzt werden („Wir müssen reden!“) oder in therapeutischer Behandlung dienen.

Die Idee der Psychoanalytikerin Selma (Golshifteh Farahani), nach der Rückkehr aus Paris in ihrem tunesischen Mutterland eine Praxis zu eröffnen, klingt zunächst gar nicht so abwegig.

„Hier wird viel geredet“, erklärt ihr Baya (Feriel Chamari), die Besitzerin eines angesagten Schönheitssalons in Tunis. Allerdings ist der gestenreiche Smalltalk auf der Straße oder bei der Pediküre nicht die Sorte von Gespräch, die Selma vorschwebt. Auch ihre Tante ist von der Rückkehrerin mit ihren westlichen Idealen wenig begeistert. Sie bietet Selma für die neue Praxis das Dach ihres Wohnhauses an.

„Auf der Couch in Tunis“ der Regiedebütantin Manele Labidi ist eine umgedrehte Culture-Clash-Komödie. Selma kehrt in ein Land zurück, das sie nicht mehr versteht. Ihre verstorbenen Eltern mussten einst ins Exil nach Frankreich fliehen, aber auch der Sturz von Ben Ali hat Tunesien nicht nach ihren Vorstellungen modernisiert.

Die Jugend will immer noch weg. Auch ihre Nichte Olfa (Aïcha Ben Miled) ist daher sauer, als Selma wieder vor der Tür steht. Die Tante in Paris war ihre Fahrkarte in den Westen, jetzt sitzt sie wie alle fest.

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Doch Selmas Reformwille ist ungebrochen. Sie erkennt jedoch schon bald ihre Grenzen. Auf der Jagd nach potentiellen Patienten muss sie feststellen, dass das Konzept der Therapie in der arabischen Gesellschaft nicht sehr verbreitet ist. „Werde ich im Leben nie wieder Sorgen haben?“, fragt eine Kundin Bayas, mit Lockenwicklern im Haar, ungläubig.

Der schwule Bäcker Raouf (Hichem Yacoubi), der an seiner Sexualität verzweifelt, weicht hingegen gar nicht mehr von Selmas Seite. Und dann gibt es noch den Polizisten Naim (Majd Mastoura), der an seinem Schreibtisch die Cowboystiefel putzt und sich über die Arroganz der „Migrantin“ ärgert, die ohne Zulassung eine Praxis betreibt.

Er setzt ihr ein Ultimatum – ein guter Vorwand auch, um immer wieder mal bei Selma vorbeizuschauen, die mit ihrer Lockenmähne und den Tätowierungen schon äußerlich gegen das Frauenbild in Tunesien verstößt.

Tonfall wird nie überheblich

Das Stereotyp ist das erzählerische Mittel der Culture-Clash-Komödie. Die Französin Labidi hat viel von diesem Erfolgsmodell des französischen Kinos abgeschaut – und macht vieles besser.

Der Tonfall in den Beschreibungen des kulturellen Gefälles, das „Auf der Couch in Tunis“ durchspielt, klingt nie überheblich; dass Selma ein Bild ihres „Vaters“ Sigmund Freud („ein Jude!“) ins Sprechzimmer hängt, ist keine sonderlich originelle Idee, aber ein sympathischer Running Gag.

Golshifteh Farahani bringt zudem eine Starpower mit, die alles überstrahlt. Mit ihr kann Labidi nicht viel falsch machen. Farahani erscheint so überlebensgroß, dass am Ende selbst die Möglichkeit einer Romanze mit dem spindeligen Mastoura nur eine kurze Illusion bleiben muss.

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