zum Hauptinhalt

Kultur: Da muß man sich doch einfach hinlegen

Temperament hat er, wie der Name schon sagt.Howard Katz Fireheart hält das Mikrofon vor die Brust, springt hin und her, dreht sich im Kreis, taumelt wie ein Derwisch.

Temperament hat er, wie der Name schon sagt.Howard Katz Fireheart hält das Mikrofon vor die Brust, springt hin und her, dreht sich im Kreis, taumelt wie ein Derwisch.Dazu singt er, und das gar nicht mal so schlecht, ein trauriges Lied: "Do you have enough love in your life?" Derweil seine Mitspieler Ralf Neuenkirchen und Matthias Herrmann vor versammelter Presse den Beweis antreten, daß sie mit ihren bescheidenen Mitteln (Schlagzeug beziehungsweise Cello) erheblichen und durchaus wohlklingenden Lärm zu verbreiten imstande sind.Der New Yorker Sänger, Tänzer und Performance-Künstler Fireheart ist nur einer von insgesamt rund hundert Mitwirkenden am "Festival junger experimenteller Kunst", das in den nächsten zweieinhalb Wochen im ehemaligen Postfuhramt an der Oranienburger Straße über die staubige Bühne gehen wird.

"Wir wollen junge, noch nicht weithin bekannte Künstler einmal in einem größeren Rahmen präsentieren", sagt Johann Nowak von der Aktions Galerie, der Organisator des Festivals.Nowak war es, der - zusammen mit Sylke Blum und Ralf Bartholomäus von der kommunalen Galerie "Weißer Elephant" - die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler ausgesucht hat.Nowak war es auch, der, wie schon in den letzten beiden Jahren, mächtig für seine Veranstaltung getrommelt, Sponsoren aufgetan und Mithelfer engagiert hat, letztere freilich ohne Bezahlung, was ihm heute der eine oder andere arg verübelt.Nun steht der kompakt gebaute Blondschopf inmitten seiner Ausstellung und scheint sich selbst ein wenig zu wundern, daß bisher alles, was er sich vorgenommen hat, geklappt hat - oder wenigstens das meiste.

Bis in die frühen Morgenstunden haben die Künstler noch an ihren Bildern, Skulpturen und Installationen gewerkelt.Wiebke Maria Wachmann zum Beispiel.Die 29jährige Konzeptkünstlerin hat einen der Räume im Postfuhramt in Beschlag genommen, eine Art Liege hineingestellt und ganz in weiße Farbe getaucht.Klingt banal, ist es aber nicht.Kaum ein dunkler Schatten ist hier zu erkennen, alles strahlt hell und einheitlich, scheint vor den Augen des Betrachters zu verschwimmen.Ein faszinierendes Arrangement, fast wie ein Bild aus einem Traum.Um fünf Uhr früh ist sie damit fertig geworden.Jetzt ist sie noch ein wenig müde, aber doch auch froh, daß es geschafft ist."Ganze Tage dazwischen", so heißt Wachmanns Arbeit.

Müde ist auch der 25jährige niederländische Performance-Künstler Iepe B.T.Rubingh, das allerdings gehört bei ihm zum gestalterischen Konzept.Rubingh hat vor, sich für die gesamte Dauer der Ausstellung vor Ort aufs Ohr zu legen.Notfalls will er mit Schlaftabletten nachhelfen.Hart an der Grenze zum Kalauer, so wirkt auch die Installation der beiden Künstler Marc Schmitz und Daniel Ginelli.Die zwei haben im Erdgeschoß des Postfuhramts einen Raum zum Klassenzimmer umgestaltet.Auf rund umlaufenden Schultafeln steht mit Kreide geschrieben der Satz: "Wer das liest, ist Kunst".Schmitz und Ginelli, so wird in dem Infoblatt angekündigt, beschäftigen sich seit Jahren mit dem Thema und betrachten den Ausstellungsbesucher stets als Teil ihres Werks.Ächz, na wenn das so ist.An meditative Exerzitien erinnert dagegen die Arbeit der 1963 geborenen Fotokünstlerin Barbara Caveng.Am Neujahrstag 1998 hat sie angefangen, Dinge zu sammeln, für jeden Tag im Jahr einen Gegenstand.Jetzt hängen 365, in Plastiktüten verpackte Fundstücke an den Wänden.Ein Kalender, aufgefüllt mit (Selbst-)Erkenntnis."Das Finden ändert sich im Lauf der Zeit", erklärt Caveng und lächelt hintergründig.

So schwanken die einzelnen Beiträge zwischen Ernst und Spaß, zwischen Dilettantismus und Professionalität.Gespannt darf man jedoch sein, was die Gäste des Festivals präsentieren.Mit Hilfe von Alexander Ochs und Jaana Prüß als Sachverständige von der Galerie Asian Fine Arts wurden fünf Künstlerinnen und Künstler aus Jakarta eingeladen, hier ihre Projekte zu realisieren.Sie kamen so kurzfristig nach Berlin, daß bei der Vorbesichtigung noch keines der Werke zu sehen war.Interessant wird es allemal werden, schließlich sind Ochs und Prüß ausgewiesene Kenner der südostasiatischen Kunstszene.

"Festival junger experimenteller Kunst", Postfuhramt, Oranienburger/Ecke Tucholskystraße: bis 16.Mai, täglich von 14-22 Uhr.Abendveranstaltungen jeweils ab 20 Uhr.Eröffnung heute abend 20 Uhr

ULRICH CLEWING

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false