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Kultur: daad-Galerie: Menschenpark im Zoogeschäft - Eine Ausstellung von Katerina Vincourová

Es sei die Langeweile, so Katarina Vincourová, die sie zum Kunstschaffen anrege. Jenes Gefühl der Leere, wenn man auf den Steinen sitzt und nicht weiß, warum man aufstehen sollte.

Es sei die Langeweile, so Katarina Vincourová, die sie zum Kunstschaffen anrege. Jenes Gefühl der Leere, wenn man auf den Steinen sitzt und nicht weiß, warum man aufstehen sollte. Dasselbe Gefühl vermutlich, das andere dazu bringt, ins Zoogeschäft zu gehen, sich Heimtierchen anzuschaffen. Man kann sich vorstellen, wie die Faunafreaks, einmal zu Hause, die erworbenen Käfige, Aquarien und Terrarien aufstellen, ihnen Lampen und Kabelsalat implantieren, sie bepflanzen und mit Schotter oder Holzwolle bestreuen. Bis endlich die Tiere hineinkommen, um gefüttert und angeglotzt zu werden. Ungefähr so ist der Vorgang im Inhaltsverzeichnis des "Terrariums für Anfänger" festgehalten, das Katarina Vincourová auf einer Wand der daad-Galerie in grellen Farbbalken nachgebildet hat. Die Wände des gegenüberliegenden Raumes hat sie mit Fotos von Aquarien und Terrarien behängt, die sie in Tierhandlungen fand. Davor blähte sie Vitrinen aus durchscheinender Plastikfolie auf, welche den Reproduktionen einen dreidimensionaler Anschein verleihen. Echsen, Goldfische und Meerschweinchen kann man dahinter belauern. Aber ins Auge fällt das farbenfrohe Accessoire, mit dem Tierliebhaber gemeinhin ihre Freunde beglücken: nicht nur die obligatorischen Kunstfelsen und -pflanzen, sondern auch ein versunkenes Segelschiff, ein mit Tang bewachsener Oldtimer, dazu ein Häuschen, bunt wie Zuckerkuchen. Lässt sich die Langeweile dadurch wirklich vertreiben? Und was heißt wirklich, wenn hier alles so echt ist wie Falschgeld?

Katarina Vincourová, 1968 in Prag geboren, 1996 mit dem höchsten tschechischen Preis für jünge Künstler, dem Jindrich-Chalupeck¿y-Preis, ausgezeichnet, nun daad-Stipendiatin, ist mit derlei Gaukeleien, die sich selbst entlarven, längst vertraut. Mal schuf sie eine unbehagliche Puppenstube aus Stein, mal ein Chaiselongue-Parlament aus rosa Schaumstoff. In Wahrheit geht es ihr darum, mit den Chimären, die sie aus Kunststoff und dicht am Kitsch aufbaut, den menschlichen Urbedürfnissen auf den Grund zu gehen.

Der Liebe zum Beispiel. Ihr Hobbyraum - so hat sie die Ausstellung genannt - ist ein Tierpark für Menschen, die sich das Herz an ein bisschen Tierliebe erwärmen wollen. Freilich ein irrwitziges Unterfangen. Am Eingang stolpert man über eine putzige Zickzackanlage aus Holzhäuschen und Röhren. Es ist ein Spielzeug für Mäuse, denen es Spaß machen soll, auf gelegten Bahnen hin und her zu laufen. Im Nebenraum befindet sich ein Naturparadies mit gekachelten Wänden, an denen rosa Haufen- und streifige Federwolken wie vom Märchenbuch abgepaust scheinen. Der Löwe, den man aus einer niedrigen Grotte brüllen hört, ist gottlob nicht zugegen, so dass man unbehelligt ins nebenliegende Zimmer gelangt. Hier ziehen Mäuse ihre Runden, dies allerdings nur auf Monitoren, welche die Künstlerin in den Raumecken postiert hat. In drei Fällen liegen die Nager in leuchtenden Plastikbällen, worin sie schaukeln. Im vierten läuft eine Maus endlos aufwärts auf einem Rad, so schnell, dass dem Betrachter schwindlich wird. Wahrscheinlich auch trüb zu Mute. Schwermut hinterlässt diese Ausstellung beim Besucher. Und die Frage, ob auch solch eine Gemütslage auf einer Täuschung beruht.

Aureliana Sorrento

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