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Kultur: Damals, im Dschungel

Vietnamesische Filmwoche im Babylon Mitte

Anfang der siebziger Jahre kam Thomas Billhardt aus der DDR nach Vietnam, um als Bildreporter zu arbeiten, mitten im Krieg. Er hat Bombenopfer fotografiert und zertrümmerte Körper, Elend und Tod. Aber zwischen den Schreckensbildern finden sich auch immer wieder schlichte Porträts, Fotografien meist junger Mädchen, denen der hochgewachsene Europäer wohl gefällt. Die Brigadistin Hong Li war eine von ihnen; im Café eine Eislimonade zu trinken war damals ihr größter Wunsch.

Fast 30 Jahre nach dem Krieg ist Billhardt nach Vietnam zurückgekehrt – mit einem Filmteam. Und mit großen Abzügen seiner Fotos, die er auf einem Platz im Zentrum von Hanoi ausstellt. Denn Billhardt möchte seine Protagonisten – und vor allem die Protagonistinnen – von damals wiedertreffen. Dong Trung etwa, die ein kleines Kind war und große Angst hatte, weil Billhardt der erste Ausländer war, den sie sah. Jetzt arbeitet sie in einem Souvenirladen. Die Familie des bei einem Bombenangriff getöteten Jungen, dessen Foto um die Welt ging, hat Billhardts Aufnahme von damals an der Wand hängen. Und am Ende taucht auch Hong Li wieder auf, als Rentnerin.

Dietmar Ratschs Dokumentarfilm „Eislimonade für Hong Li“ (der Film startet regulär im Februar im Kino Börse) eröffnet eine Filmwoche im Babylon Mitte, die in bunter Mischung Spiel und Dokumentarfilme aus und über Vietnam zusammenbringt. Altes Hollywood trifft auf aktuelle vietnamesische Kinematographie. Hal Ashbys „Coming Home“ (1977) steht neben „Piloten im Pyjama“, einer vierteiligen Mammut-Dokumentation des DEFA-Dokumentaristen-Duos Walter Heynowski und Gerhard Scheunemann über kriegsgefangene US-Piloten aus dem Jahre 1968, Barry Levinsons „Good Morning, Vietnam“ (1987) neben Luu Trong Ninhs „Das Ufer der Frauen ohne Männer“ (2000). Diese Geisterbahnfahrt durch mehrere Kapitel vietnamesischer Geschichte war letztes Jahr im Vietnam-Programm des Berlinale-Forums zu sehen. Zu entdecken gibt es auch einige neuere vietnamesische Produktionen, etwa das vom Spielfilmstudio Ho-Chi-Minh-Stadt produzierte patriotische Heldenepos „Eban, die Frau aus dem Dschungel“.

Auch „Eislimonade für Hong Li“ zeichnet lebendige Eindrücke aus einem Land auf, das in langen Jahren vom Ausnahmezustand zu bescheidener Normalität zurückfand. Emotionale Leerstellen bleiben dabei ausgerechnet Billhardts persönliche Begegnungen selbst. Außer höflichen Gesten scheint hier nichts zu geschehen. Das mag an der mangelnden Geduld der Filmemacher liegen, auf den entscheidenden Augenblick zu warten, oder an der Zurückhaltung der Vietnamesinnen. Am wahrscheinlichsten ist der Grund aber Thomas Billhardt selbst, ein freundlicher Mann, im Umgang eher von jovialer als tiefschürfender Art. Die Idee zu dieser Reise in die Vergangenheit kam von den Filmemachern, nicht von ihm. Immerhin, gesträubt hat er sich nicht. S.H.

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