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Kultur: Damenwahl zum letzten Tanz

KUNST

Vor wenigen Wochen wurde die Künstlerin Dorota Nieznalska von einem polnischen Gericht verurteilt. Ihre Installation „Passion“, die das Video eines Bodybuilders, ein Kreuz und das Foto eines männlichen Genitals kombiniert, verletze religiöse Gefühle, lautete die Anklage. Im Neuen Berliner Kunstverein (Chausseestraße 128, bis 19. Oktober) zeigt die Künstlerin unter dem Titel „Fetisch“ fast körperlich erscheinende Gebilde aus schwarzen Gummischläuchen, Leder und Gasmasken. Die Luft zum Atmen ist für Künstlerinnen dünn in Polen. Und so reflektieren auch andere der insgesamt neun Teilnehmerinnen der Ausstellung Biala Mazur die gesellschaftliche Rolle von Frauen – manchmal in marktschreierischer Deutlichkeit, mal mit hintergründigem Humor. Bei Katarzyna Górna treten etwa kampflustige Frauen wie Sumoringerinnen auf. Das plüschige Schlafzimmer, das Bogna Burska mit Lilien und Rotwein stimmungsvoll in Szene gesetzt hat, bekommt dagegen nur durch die Vogelspinne auf dem Monitor einen unheimlichen Beigeschmack.

Zusammengestellt wurde die Schau von Anda Rottenberg, der großen polnischen Kuratorin der Gegenwartskunst. Als ehemalige Leiterin der Warschauer Zachetagalerie kennt auch sie die Repressalien gegenüber kritischer Kunst. Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf die „weiße Masurka“, den letzten Tanz der großen Bälle in Polen, der den Frauen die Wahl ließ – auch wenn das Fest direkt danach zu Ende war. Bei der Installation von Elzbieta Jablonska ist die Party ebenfalls vorüber. Auf der überdimensional großen Küchenzeile sind nur die Essensreste stehen geblieben. Auf den Handtüchern stehen Stellengesuche von polnischen Haushaltshilfen. Schon der Zusatz „keine Massagen“ sagt hier eine Menge über gesellschaftliche Wirklichkeit aus.

Katrin Wittneven

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