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Kultur: Damián Ortega

Das Material findet sich überall in der Stadt, doch hat es auf diese Weise wohl noch niemand eingesetzt. Vermutlich muss man Berlins Backsteine mit den Augen eines Fremden sehen, um sie so zum Schwingen und Klingen zu bringen.

Das Material findet sich überall in der Stadt, doch hat es auf diese Weise wohl noch niemand eingesetzt. Vermutlich muss man Berlins Backsteine mit den Augen eines Fremden sehen, um sie so zum Schwingen und Klingen zu bringen. Der Mexikaner Damián Ortega hat Hunderte von diesen groben Klötzen in Reihen auf einer Brache unweit des Nordbahnhofs aufgestellt, um sie dann mit einem Stoß umzuwerfen, so dass sich im Auf und Nieder der Topografie wie in einer Wellenbewegung Spiralen, Zickzacklinien, geometrische Muster ergeben.

Was nach einer Versuchsordnung für Kinder klingt, ist doch hochphilosophisch angelegt. „Nine Types of Terrain“, die jeweils dreiminütigen 16-Millimeter-Projektionen, beziehen sich auf den berühmten, über 2000 Jahre alten Traktat „Die Kunst des Krieges“ von Sun Tzu. In seinem elften Kapitel untersucht der chinesische Stratege, wie in mal offenem, mal unwegsamem Gelände die gegnerische Armee einzunehmen ist.

Natürlich geht es Damián Ortega nicht um Okkupation und militärische Eroberung mit seinem poetischen Klötzespiel. Der kluge Arrangeur von alltäglichen Gegenständen schafft auch hier eine Metapher des Lebens, zumal in Berlin, wo er seit seinem DAAD-Stipendium und der Biennale-Teilnahme geblieben ist. Die Stadt als ewige Baustelle, das Werden und Vergehen, die energetischen Prozesse finden in seinen Loops ein zauberhaftes Bild, das durch den an- und abschwellenden Klang der umstürzenden Steine eine fast symphonische Qualität erhält.

Als Bildhauer stellt der 40-Jährige sein Medium immer wieder infrage. Für „Nine Types of Terrain“ entzieht er sich in die Bewegung, für „Man is the Controller of the Universe“, seiner parallel gezeigten Installation in der DAAD-Galerie (Zimmerstr. 90–91, bis 27. 10.), sprengt er den geschlossenen Raum. Wie bei seinem populärsten Werk, dem in seinen Einzelteilen aufgehängten VW-Käfer, der ihm 2003 auf der Biennale in Venedig den internationalen Durchbruch bescherte, ordnet er alle Elemente an Perlonfäden baumelnd wie in einer Explosionszeichnung an. Diesmal sind es Hunderte von Werkzeugen, die er auf Berliner Trödelmärkten fand. Der Besucher steht im Mittelpunkt dieses Werks von zentrifugaler Kraft. Auch hier spielt er Materialschwere gegen den Gedankenflug aus und kommt auf dem Boden der Tatsachen an. Nicola Kuhn

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