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Kultur: Damit ist Staat zu machen

Der Bund und die Künste: Was kann, was soll ein deutscher Kulturminister nach der Wahl tun?

Die Einrichtung eines „Beauftragten für Kultur und Medien“ im Range eines Staatsministers im Kanzleramt war 1998 der Überraschungscoup des frisch gewählten Gerhard Schröder. Die Unionsparteien und deren Länderfürsten stöhnten auf, damals. Doch 2005 hat die CDU/CSU mit der Berufung ihres kulturpolitischen Vordenkers Norbert Lammert in das Wahl„Kompetenzteam“ besiegelt, dass es hinter das Amt des „BKM“ kein Zurück mehr geben wird.

Die Frage ist, ob die Aufwertung des Amtes zu einem eigenständigen Bundeskulturministerium gelingt. An der Notwendigkeit besteht kein vernünftiger Zweifel. Die Bundeskompetenzen im Bereich der Kultur verlangen nach politischer Verantwortlichkeit, nach einem eigenen Etat und entsprechender parlamentarischer Kontrolle; kurz, nach allem, was Regierungshandeln ausmacht.

Das wichtigste Signal, das von der Einrichtung eines Bundeskulturministeriums ausginge, wäre die klare Abgrenzung von Bundes- und Länderzuständigkeiten. Damit stünde sie im Zusammenhang mit der – bislang gescheiterten – Föderalismusreform. Es gilt, diese Zuständigkeiten abzugrenzen und auszutarieren – und damit auch deutlich zu benennen, welche Seite für die Finanzierung welcher Aktivitäten zuständig ist. Es ist ein Symptom der vorherrschenden Vermischung der Zuständigkeiten, dass der Bund zwar geben darf, jedoch angeblich nichts zu sagen hat, während die Länder gerne nehmen, aber über die Kultur in schönem Partikularismus bestimmen.

Die zahlreichen Mischfinanzierungen, die es hier von Stralsund bis Weimar, von Dessau bis Dresden gibt, sind Ausdruck der durch die Vereinigung entstandenen Lage, die eine Definition des „national bedeutsamen Kulturerbes“ erforderlich macht, dann aber selbstverständlich für ganz Deutschland. Fragen der Restitution und, weit darüber hinaus, des nationalen Patrimoniums erfordern eine klare, zugleich finanziell unterfütterte Bundeszuständigkeit – zu verantworten von einem vollgültigen Minister. BS

Im Lokalen sind wir alle Patrioten. Und darum dreht sich’s bei der Hauptstadtkultur und der Frage, was der Bund hier tun kann – und muss. Weil vieles, wenn auch längst nicht alles, was Berlin bewegt und zu bieten hat, weit über Berlin hinaus ausstrahlt. Wenn der Bund in Berlin Kultur fördert, handelt er auch lokal und zugleich global. Die Museumsinsel gilt als das größte der Bundeskulturprojekte in der Hauptstadt; es geht voran. Ebenso wichtig wäre eine zukunftsweisende Aussage im Hinblick auf den Schlossplatz. Für das so genannte Humboldt-Forum, für einen Kulturpalast, der als Pendant zur Museumsinsel das Außereuropäische und Zeitgenössische zu umfassen sucht. Dies kann, man sieht es sofort, keine Sache sein, die der Berliner Senat und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz allein bewältigen; dann wird es nichts. Das Humboldt-Forum – kein schlechter Arbeitstitel – braucht den Anschub auf Bundesebene.

Dass dies auch für bewegliche Objekte gilt, zeigen die guten Erfahrungen der letzten Jahre. Der Tanz in Berlin (Sasha Waltz!) ist endlich auf die Beine gekommen, weil Bundeskulturstiftung und Hauptstadtkulturfonds sich eingeschaltet haben. Und kaum ein Bereich arbeitet und wirkt so international und interdisziplinär wie der zeitgenössische Tanz. Besonders mit dem Hauptstadtkulturfonds ist eine neue Dynamik in die Kultur Berlins gekommen. Denn mit diesem Geld wurden nicht nur heiß diskutierte Projekte wie die RAF-Ausstellung und die Bespielung des Palastes und der exemplarische Erfolg des Hebbel am Ufer möglich, sondern auch große, repräsentative und populäre Präsentationen im Gropius-Bau. Es ist das Beste, was man über Kulturförderung und eine zeitgemäße Hauptstadtkultur sagen kann: Sie gibt Anstöße, entfacht Debatten, schafft schlanke Strukturen, die nicht für die Ewigkeit gemacht sind. Daran Hand anzulegen, wäre töricht und fantasielos. R. S.

Viele Fördertöpfe verderben die Kunst: Die Krux der deutschen Filmförderung bleibt der Subventionsdschungel der Länder- und Standort-Förderinstitutionen. Die Folgen: Dreharbeiten-Wanderzirkus, Antrags-Marathonläufe und Produktionsfirmen, die Filialen dort unterhalten müssen, wo das Geld liegt und nicht das künstlerische Potenzial. Da die Fernsehsender, anders als in anderen Ländern Europas, auch nach der letzten Novelle des Filmfördergesetzes nur freiwillig ihr Scherflein beitragen müssen, können sie mit ihren Einzahlungen in Filmstiftungen und -boards das Kino auch noch kräftig auf Quote trimmen. Bessern wird sich all das erst nach einer Föderalismusreform – und wenn ein Kultur(staats-)minister endlich die Autorität hat, die Sender per Gesetz zu ihrem Kulturauftrag auch zu verpflichten.

Trotzdem: Das deutsche Kino blüht, und die Medienbranche birgt gigantisches Wachstumspotenzial. Im Umbruch ist sie sowieso, nicht zuletzt wegen des noch jungen DVD-Geschäfts. Also weg mit Investitionshemmnissen, sagen die Experten. Und der neue Risikokapitalfonds mit 90 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre hilft den unabhängigen Produzenten, vor allem bei europäischen Koproduktionen. Ein Testball (der zudem auf Eichels sagenumwobener Streichliste auftaucht): Wehe, er wird verspielt. chp

Tücken des Systems: Wenn in Russland über die Rückführung von Beutekunst verhandelt wird, macht das die Bundeskulturministerin als Vertreterin der Bundesregierung. Geht es um Polen, die Ukraine oder unlängst Kirgistan, ist das Auswärtige Amt zuständig, bei dem die Frage der „Rückführung kriegsbedingt verbrachten Kulturguts“ grundsätzlich angesiedelt ist. Und auch die 144 Goethe-Institute, Hauptvertreter der deutschen Kultur im Ausland, laufen im Etat des Auswärtigen Amts – und müssen dort immer wieder mit harten Sparvorgaben rechnen. Andererseits tritt die Bundeskulturministerin mit Plänen zu einem europäischen Netzwerk „Erinnerung und Solidarität“ als Gegenentwurf zum umstrittenen „Zentrum gegen Vertreibungen“ auf. Der „Europäisch-islamische Kulturdialog“ findet dann aber wieder im Auswärtigen Amt statt. Auswärtige Kulturpolitik ist also, was die Kompetenzen angeht, ein unübersichtliches Gebiet – und ein gewichtiger Machtfaktor. Geht es doch um Geld, viel Geld: Mehr als eine halbe Million Euro fließt aus dem Haushalt des Auswärtigen Amts jährlich in die Kulturpolitik, ein Viertel des Gesamthaushalts des AA. Schwer, sich davon zu trennen. Schlüge man die Auswärtige Kulturpolitik insgesamt einem Bundeskulturministerium zu, wäre das ein gewichtiger Etatposten – und eine echte Aufgabe. Zu fordern gewagt hat das bislang keine Partei. Sinnvoll wäre es. til

Die klassischen Aufgaben des neuen Kultur(staats)ministers? Eine Lösung im Sanierungsfall der Berliner Staatsoper finden und für die deutschen Orchestermusiker einen neuen Tarifvertrag aushandeln. Ja, ja, liebe Verfassungsfolkloristen, das eine ist Ländersache, das andere fällt in den Hoheitsbereich der Tarifautonomie. Beide Konfliktfälle lassen sich aber nur lösen, wenn jemand sie zur Chefsache macht, wenn sich ein Mediator mit Machtwortkompetenz einschaltet. Der Musiktempel Unter den Linden ist durch seine Lage und sein eventorientiertes Programm de facto längst ein Freizeittreff der Bundespolitiker – und ein Objekt, an dem sich mit überschaubarem Aufwand die Fähigkeit der Republik exemplifizieren ließe, marode Systeme zukunftsweisend umzubauen. Bei den Tarifrunden zwischen Bühnenverein und Deutscher Orchestervereinigung sitzen sich dieselben Akteure seit Jahrezehnten gegenüber und tanzen den Zwei-Schritte-vor-zwei- zurück-Tango. Wenn nicht schnell ein ganz neues Arbeitszeitmodell greift, wird das ruhmreiche deutsche Stadttheatersystem an seinem Orchesterwesen ersticken. F.H.

Für deutsche Popkultur fühlte sich die Bundesregierung nicht zuständig. Und die Branche erwartete auch nichts – von einzelnen Vorstößen abgesehen, eine gesetzliche Regelung bei der Quotierung von deutschsprachiger Musik im Radio durchzusetzen. Von einer der Erinnerungskultur verhafteten „Alibibehörde“ ist die Rede. Tote Musik wird der lebenden allemal vorgezogen. Die Novellierung des Urheberschutzgesetzes hat sich auf die Verbreitung illegal gebrannter CDs kaum ausgewirkt. Was nötig wäre: eine zumindest ideelle Unterstützung des Musikexportbüros German Sounds, das deutsche Titel im Ausland bekannt zu machen versucht, aber kaum über finanzielle Mittel verfügt. Der Erfolg französischer Popkünstler am deutschen Markt wäre ohne massive Unterstützung des Bureau Export de la Musique Française undenkbar.

Aus der Perspektive der Politik verengt sich die hiesige Musiklandschaft auf Niederlassungen ausländischer Konzerne oder Amateure. Den großen mittelständischen Sektor lässt sie vollkommen außer Acht. Dessen größtes Problem seien in Folge der „Basel II“-Beschlüsse, nach denen Banken zur Absicherung ihres Kapitals die Finanzkraft der Kreditnehmer überdenken sollen, investitionsfähig zu bleiben. Subventionen in diesem Bereich wären Infrastrukturangebote, die das musikalische Leben und dessen Bandbreite unmittelbar fördern würden. Auch könnte sich ein künftiger Kultur(staats)minister für eine Preisbindung für musikalische Erzeugnisse stark machen. Nicht nur die Angebotsbreite innerhalb der Läden wäre gesichert, auch die Breite der Anbieter würde gestärkt. Es wäre ein Schritt, Pop als Kulturgut im Bewusstsein zu verankern. KM

Vielleicht liegt das Gutenberg-Zeitalter tatsächlich hinter uns. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Druckerzeugnisse aber ist ein Privileg, an dem nicht nur Kulturpolitiker hängen sollten. Die einzigartige Vielfalt des deutschen Buch- und Pressewesens beruht nicht zuletzt auf der Bezahlbarkeit des Angebots. Jeder verlorene Leser ist auch ein verlorener Käufer. Rein ökonomisch lässt sich auch für den Erhalt der Buchpreisbindung votieren: Studien zeigen, dass ohne sie die Titelbreite abnimmt – und dass Literatur, die keine hohen Auflagen verspricht, Wissenschaftliches wie Hochliterarisches, deutlich teurer wird. Für passionierte Leser ist das so betrüblich wie für engagierte Verlage. Mit der Novellierung des Urheberrechts, das schon ein sozialpolitischer Schwerpunkt der ersten Schröder-Regierung war, ist ein wichtiger Schritt getan. Um die Stellung freier Autoren und Übersetzer zu stärken, wurde ihnen 2003 per Gesetz eine „angemessene Vergütung“ zugesichert. Bei belletristischen Autoren hat dies zu tarifähnlichen Regeln geführt; Übersetzer müssen ihre Ansprüche im Konfliktfall noch immer vor Gericht erstreiten. Mit Gesetzen allein ist es nicht getan. Die Wirklichkeit muss ihnen auch folgen. dotz

In den Beratungen internationaler Gremien steht Deutschland ohne einen vollgültigen Kulturminister stets auf schwierigem Posten. Dabei steht außer Frage, dass die Bedeutung der Unesco beständig wächst. Im Zuge der Globalisierung verzahnen sich Handels- und Kulturpolitik. Die Unesco-Konvention zur kulturellen Vielfalt, deren Verabschiedung im Oktober ansteht, hat die weltweiten Konfliktlinien in aller Schärfe aufbrechen lassen. Während die USA die vollständige Enthaltsamkeit des Staates in Kulturdingen fordern, plädieren die EU-Staaten – nach unbeirrter Vorarbeit Frankreichs in Sachen exception culturelle – für den Vorrang dieser Ausnahmeregelung für staatliche Kulturförderung vor der ansonsten gültigen Deregulierung aller Dienstleistungen im GATS-Abkommen. Der EU-Position haben sich mittlerweile 130 Staaten angeschlossen, so dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit bei der anstehenden Unesco-Generalkonferenz in Reichweite liegt. Fürwahr ein zentrales Thema der Kulturpolitik – und eines, bei dem der Anachronismus der strikten Kulturhoheit der 16 Bundesländer besonders deutlich zutage tritt. BS

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