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Daniel Barenboim.

© dpa

Daniel Barenboim spielt Elliott Carter: Von der Schönheit des Lärms

Daniel Barenboim hat sich lange Zeit in Elliott Carters Schaffen und Wesen vertieft. Nun spielte er mit der Staatskapelle in einer voll besetzten Philharmonie sein letztes Stück.

Der amerikanische Komponist Elliott Carter war 103 Jahre alt, als er sein letztes Orchesterwerk schrieb. Was dabei herausgekommen ist, klingt erstaunlich heiter. Weltabschied ist sein Thema nicht, auch wenn die „Instances“ mit einem leisen Ton der Violinen enden. Eher wirkt dieses Stück, komponiert im Todesjahr Carters 2012, wie eine kleine Episode aus dem Reichtum des Lebens.

In der voll besetzten Philharmonie nimmt Daniel Barenboim sich die Zeit, vor dem Konzert mit seiner Staatskapelle eine so liebevolle wie gut gelaunte Einführung in die Komposition seines Freundes zu geben, der als ganzer New Yorker mit europäischen Neigungen seinen eigenen Stil entwickelt hat. Melodik, Rhythmik, lustiges Klavier, Synkopen, schnelles Scherzo, Pausen: Was dann vor allem zu hören ist, besteht aus Komplexität, Farben, Bögen der Trompete, Tupfern, beredten Augenblicken. Diese europäische Erstaufführung ist eine Station in der langjährigen Vertiefung Barenboims in Carters Schaffen und Wesen, in die auch die Uraufführung von „What next?“ an der Staatsoper gehört. Vielschichtig und zugleich eingängig zu klingen, ist wohl das Geheimnis des Werkes, das „in very good humor“ (Barenboim) entstanden ist. Bleibt die Frage, wann Reifezeit oder Spätstil eines solchen Meisters beginnen, der bis ins höchste Alter gearbeitet hat.

Als er 15 war, erlebte er in der Carnegie Hall Strawinskys „Sacre du printemps“, „das Größte, was ich je gehört hatte“. So ist es nur folgerichtig, wenn Barenboim sein Konzert für Carter mit einer Reminiszenz an dessen wegweisendes Jugenderlebnis krönt: mit dem Jugendwerk „Sacre“. Vom singenden Fagott zu stampfendem Rhythmus und Brutalität erreicht das Orchester eine Brillanz, wie sie selten gelingt, das Atmosphärische der „Bilder aus dem heidnischen Russland“ verbunden mit Präzision. Der Staatskapelle gelingt hier eine fantastische Schönheit des Lärms.

Obwohl sie zum Thema Abschied passen, wirken die „Vier letzten Lieder“ von Strauss in diesem Rahmen wie ein Fremdkörper. Dorothea Röschmann singt eher instrumental, ohne viel Schattierung, so dass der Reiz der hohen Frauenstimme Ahnung bleibt, zumal die Texte Hesses und Eichendorffs kaum zu verstehen sind. Das „Zauberreich der Nacht“ wird überblendet von Carter und seinem Strawinsky-Erlebnis.

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