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Daniel Libeskind

© dpa

Daniel Libeskind wird 70: Triumph und Drama

Daniel Libeskind, der Architekt des Berliner Jüdischen Museums, feiert 70. Geburtstag.

Allmählich ist es an der Zeit, Daniel Libeskind als Wunderkind zu bezeichnen. Er teilt Triumph und Tragik dieser in allen Künsten jäh auftauchenden Spezies. Das Jüdische Museum Berlin, das er als „Erweiterung des Berlin Museums mit Jüdischer Abteilung“ entwarf und das 1999 als eigenständige Institution eröffnet wurde, ist sein Triumph. Es ging, vergleichbar allenfalls der Kongresshalle im Tiergarten, unverzüglich in die Architekturgeschichte ein. Die Tragik folgte auf dem Fuße. Als Libeskind wenig später, im Vollgefühl des hoch gelobten Berliner Baus, nach New York zog, um dort mit dem Entwurf des „Freedom Tower“ an der Stelle der zerstörten Twin Towers zu reüssieren, wurde er nicht nur ganz schnell auf den Boden der beinharten New Yorker Immobilienwelt zurückgeholt – er wollte es auch nicht wahrhaben und spielte weiterhin den Sieger, der längst verloren hatte. Der Turm steht, er ist auch jene 1776 Fuß hoch, die Libeskind metaphorisch vorgegeben hatte, aber er wurde ausschließlich nach den Wünschen des Immobilienvermarkters gebaut.

Libeskinds Architektur, die sich erst nach Jahren theoretischer Reflexion und Lehrtätigkeit zu konkreten Projekten verdichten konnte, erhielt mit dem Geniestreich des Jüdischen Museums den Stempel des Bedeutsamen. Und nur im Jüdischen Museum konnte das funktionieren, weil der Entwurf aus verwirrend ineinandergeschnittenen Geraden, die sich als zerbrochener Davidstern lesen lassen, dem Bedürfnis des Publikums in idealer Weise entspricht, das Unbeschreibliche und Unverstehbare der jüdischen Geschichte in Deutschland in eine sinnlich erfahrbare Form zu bringen.

Er wurde schnell auf das Assoziative festgelegt

Libeskind hat dieses Entwurfsschema wieder und wieder verwendet. Schon das parallel entworfene, aber früher eingeweihte Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück ist eine verkleinerte Ausgabe des Berliner Gebäudes. Dann aber folgten so unterschiedliche Bauten wie das Imperial War Museum in Manchester oder aber eine Shopping Mall bei Bern, die sehr ähnliche Elemente des „Dekonstruktivismus“ zeigen, jener inzwischen schon wieder vergangenen Richtung, der zuzugehören Libeskind immer verneint hat. Hatte er mit historischen Bauten zu tun, die er erweitern oder verändern sollte, ging es immer um Einschnitte und Brüche, immer um Kontrast statt Annäherung.

Geboren in Lodz, wuchs er seit 1960 in der New Yorker Bronx auf und studierte Musik: auch darin ein Wunderkind. Dann sattelte er auf Architektur um und lieferte dem in den achtziger Jahren in Blüte stehenden Dekonstruktivismus ein philosophisches Fundament. 1987 holte ihn Josef Paul Kleihues, Leiter des Neubauteils der IBA in West-Berlin, in die Mauerstadt und verschaffte ihm einen ersten Bauauftrag. Für den Entwurf zum Jüdischen Museum – das erst mit seinem Entwurf schlagartig zu einer eigenständigen Institution wurde – hagelte es Preise, doch zugleich wurde Libeskind auf das Assoziative festgelegt. So zeigt das Kriegsmuseum in Manchester wiederum Zerbrochenes, Aufeinandergeschichtetes, eine heillose Welt, die aber dem Besucher höchst emotionale Raumerlebnisse beschert. Jüdische Museen in Kopenhagen (2004) und San Francisco (2008) folgten, aber auch der dramatisch wirkende Umbau des Militärhistorischen Museums in Dresden (2011), mit dem sich der Bauherr Verteidigungsministerium ein selbstkritisches Image verschafft hat.

Daniel Libeskinds Œuvre ist schmal – zuletzt kam der Düsseldorfer „Kö-Bogen“ und das Apartmenthaus „Sapphire“ in der Berliner Chausseestraße hinzu –, aber spektakulär wie das kaum eines anderen Architekten. An ihm scheiden sich Geister. Er hatte das Glück, im richtigen Augenblick den richtigen Entwurf zu liefern, und die Tragik, für immer auf diesen einen, unwiederholbaren Entwurf festgelegt zu werden und sich festlegen zu lassen. Am heutigen Donnerstag wird Daniel Libeskind 70 Jahre alt.

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