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Kultur: Darauf eine Feuerzangenbowle

Es liegt auf der Hand, dass das Musikinstrumentenmuseum weit mehr als die übrigen Berliner Museen vom Trend zur multimedialen Ausstellungspräsentation profitiert. Während man sich ein Gemälde schließlich auch ohne erläuternden Audioguide anschauen kann, wird die Musikgeschichte erst dann greifbar, wenn ihre Objekte zum Klingen gebracht werden.

Es liegt auf der Hand, dass das Musikinstrumentenmuseum weit mehr als die übrigen Berliner Museen vom Trend zur multimedialen Ausstellungspräsentation profitiert. Während man sich ein Gemälde schließlich auch ohne erläuternden Audioguide anschauen kann, wird die Musikgeschichte erst dann greifbar, wenn ihre Objekte zum Klingen gebracht werden.

Die kleine Gedenkausstellung, die bis zum 1. Oktober dem Nestor der Musikwissenschaft, dem 1881 in Berlin geborenen Curt Sachs , gewidmet ist, macht das auf frappierende Weise deutlich. Denn die herkömmlichen Vitrinen mit Urkunden, Fotos, Schellackplatten und historischen Instrumenten nehmen zwar den Großteil des Platzes ein, können aber kaum mit dem Computer konkurrieren, auf dem faszinierende Dokumente zu Sachs und zur Geschichte der Wiederentdeckung der Alten Musik präsentiert werden. Etwa ein (auch auf Großmonitor anschaubarer) gut 13-minütiger Tonfilm von 1929 mit dem Titel „Die Klangwelt des Rokoko“, in dem der Professor höchstselbst zu bewundern ist. Nervös händereibend und mit herrlich altmodischem Gelehrten-Pathos gliedert er die Musik des Rokoko in die großen Zusammenhänge der Menschheitsentwicklung und Kulturgeschichte ein – und macht dabei eine Figur, die problemlos in Heinrich Spoerls „Feuerzangenbowle“ passen würde. Ergänzt werden die Ausführungen durch reichlich skurrile Musikdarbietungen: Ein Geiger streicht mit Leichenbittermiene und Jammervibrato die Viola d’amore und treibt so einem italienischen Barockstückchen jede Lebensfreude aus. Auch die Tonbeispiele, die die von Sachs energisch mitbetriebenen Anfänge der historischen Aufführungspraxis in den zwanziger und dreißiger Jahren veranschaulichen, verursachen heute eher Gänsehaut. Der „Im Frühtau zu Berge“-Impetus, mit dem damals eine Bach-Motette angegangen wurde, wirkt fast schon parodistisch, ebenso die merkwürdig belcantistische Weise, in der alte Troubadour-Gesänge wiederbelebt wurden.

In der Ausstellung lässt sich das wunderbar studieren, auch weil den historischen Klangbeispielen meist moderne Aufnahmen gegenübergestellt werden. Wenn der Computerplatz gerade besetzt sein sollte, kann man sich ja immer noch die Vitrinen anschauen – und sich dazu einen Audioguide holen.

Jörg Königsdorf

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