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Klare Kante. Das rekonstruierte Haus des Bauhausmeisters Moholny-Nagy. Foto: p-a/dpa

© picture alliance / ZB

Das Bauhaus in Dessau: Neue Meister

Das Bauhaus und seine Schätze: Dessau bekommt ein neues Bauhaus-Museum. In Berlin aber fehlt der politische Wille für einen dringend benötigten Erweiterungsbau des Bauhaus-Archivs.

Wenn es heiß wird in Dessau, wie dieser Tage, ist das für die Stiftung Bauhaus Dessau eine Katastrophe. Gerade musste sie eine Paul-Klee-Ausstellung absagen, weil im berühmten, von Walter Gropius 1925 und 1926 errichteten Bauhaus-Gebäude die Klimatechnik versagt. Dabei hatte es erst 2011 eine energetische Sanierung des Hauses gegeben. Im vollverglasten Bauhaus-Werkstattflügel, in dem die Stiftung Wechselausstellungen zeigt, musste inzwischen eine Kühlkammer eingebaut werden. So konnten wenigstens die Gemälde der Ende Juni zu Ende gegangenen Ausstellung „Das Bauhaus in Kalkutta“ zu angemessenen Klimabedingungen präsentiert werden. Aber alle Dokumente wie Zeitungsartikel, Fotos und Korrespondenzen des vielseitigen Austauschs zwischen Indien und Europa wurden wegen der Temperaturen außerhalb der Kühlkammer nur als Faksimile gezeigt.

Ähnlich verfährt die Stiftung in der fünf Minuten vom Bauhaus entfernten Meisterhaussiedlung. Gropius hatte sie den Bauhaus-Meistern als Wohnstätte errichtet. Hier gibt es gar keine Klimaanlage. Im Sommer sind Temperaturen über 30 Grad im Inneren der weißen Kuben schnell erreicht. Es scheint fast, als habe die Stiftung Bauhaus sich thematisch darauf eingestellt: Die aktuelle Ausgabe des hauseigenen „Bauhaus“-Magazins trägt den Titel „Tropen“. Und nach der Ausstellung zum schwülwarmen Kalkutta im Haupthaus läuft derzeit in den Meisterhäusern Muche/Schlemmer die Ausstellung „Vom Bauhaus nach Palästina“ – auch das eine heiße Erdregion. Die Schau zeichnet die Lebenswege von drei Bauhausstudenten bis ins heutige Israel nach. Auch hier stützten sich die Ausstellungsmacher der Hitze wegen nur auf Reproduktionen. Das ist den Fotografien und Dokumenten mitunter nicht gleich anzusehen. Doch die Aura des Originals geht natürlich selbst bei noch so guter Faksimilierung flöten.

Touristen aber wollen vor allem etwas Einzigartiges und Auratisches erleben. Warum sollten sie sonst nach Dessau kommen? Für die schrumpfende, deindustrialisierte anhaltinische Stadt ist das Bauhaus der wichtigste Touristenmagnet. Deshalb gibt es hier demnächst zwei neue Bauhaus-Sehenswürdigkeiten. Die Rekonstruktion des Direktorenhauses ist in vollem Gang. Das Wohnhaus von Walter Gropius war das erste der Mieterhaussiedlung. Ein Bombentreffer im letzten Krieg zerstörte das Gebäude ebenso wie die angrenzende Doppelhaushälfte von Moholy-Nagy. Nun wachsen die Häuser wieder in die Höhe. Beim Gropius-Haus musste jedoch erst ein Nachkriegsbau abgerissen werden, der 1956 auf dem verblieben Kellersockel gebaut wurde. Bis Ende des Jahres soll das Haus für 4,16 Millionen Euro wiedererstanden sein.

Das geplante neue Bauhaus-Museum in Dessau wird für viele Diskussionen sorgen

Über ein Jahrzehnt hatte die Fachwelt über das Für und Wider einer Rekonstruktion dieses Gebäudes gestritten. Die Stiftung Bauhaus war lange dagegen, bis 2009 der Berliner Architekt Philipp Oswalt Direktor wurde und sich für eine Kompromisslösung einsetzte. Die sieht nun so aus: Das Haus wird vom Berliner Architekturbüro Bruno, Fioretti und Marquez nach dem Prinzip der „präzisen Unschärfe“ interpretiert. Die wiedererrichtete Kubatur orientiert sich am einstigen Gipsmodell (!) und versucht die Erinnerung an das Original wie in einer unscharfen Fotografie mit einzubauen. Vergangenheit und Gegenwart sollen so simultan anschaulich werden. Ob diese Art der interpretierenden Rekonstruktion funktioniert, bleibt fraglich. Den einzigen Bau von Mies van der Rohe in Dessau, eine kioskartige kleine „Trinkhalle“, in der das Grundstück von Gropius umfassenden Mauer wird übrigens bei der Gelegenheit gleich mitrekonstruiert. Auch dieses Unterfangen erntete Kritik: „Die Mauer muss weg!“, forderten Anwohner.

Neuen Diskussionsstoff könnte auch Dessaus zweite wundersame Bauhaus-Vermehrung auslösen. Seit Anfang Juli ist gewiss: Die Stadt bekommt ein neues Bauhaus-Museum! Die Freude bei Philipp Oswalt ist groß, besteht doch die Hoffnung, dass hier bis zum 100. Bauhaus-Gründungsjubiläum im Jahr 2019 angemessen klimatisierte Ausstellungsräume für die nach Berlin zweitgrößte Bauhaus-Sammlung entstehen werden. Einen Haken gibt es. Das 25 Millionen teure Bauwerk soll nicht in der Nähe des Bauhaus-Ensembles entstehen, sondern im Stadtpark von Dessau. Vier Jahre hat Oswalt für das Museum gekämpft. Nun kommentiert er die Entscheidung vorsichtig: „Die Freude wäre noch größer, wenn die Wahl für einen von der Stiftung präferierten Standort in der Nähe des Bauhauses gefallen wäre“. Das Bauen im Park kommt Land und Bund, die Hauptgeldgeber, allerdings billiger. Für die konkrete Architektur muss ein Wettbewerb noch ausgeschrieben werden.

Immerhin kann Dessau jetzt im Hinblick auf das Jubiläum zum Bauhaus-Gründungsort Weimar aufschließen. In Weimar ist ein Bauhaus-Museum nach Plänen der Berliner Architekten Heike Hanada und Benedict Tonon bereits projektiert. In Berlin hingegen, dem dritten Bauhaus-Standort und Sitz des Bauhaus-Archivs, ist derzeit noch alles offen. Der seit zehn Jahren erhoffte und dringend benötigte Erweiterungsbau für die mit 115 000 Besuchern jährlich meistbesuchte Bauhaus-Einrichtung ist vom Land Berlin immer wieder auf die lange Bank geschoben worden. Annemarie Jaeggi, Direktorin des Bauhaus-Archivs sieht jetzt dennoch „gute Chancen“, das 100-jährige Bestehen „in einem neuen Erweiterungsbau feiern zu können."

Während das Bauhaus in Dessau und Weimar durch die Neubauten beständig in den Schlagzeilen ist und um jedes Detail hitzig gerungen wird, fehlt in der Berliner Politik jedes Feuer für einen Neubau. Ob Berlin im Hinblick auf das Jubiläum 2019 eine Blamage erspart bleibt? Muss die Provinz der Hauptstadt dann zeigen, wie attraktiv und aktuell das Bauhaus immer noch ist? Schließlich erkennt auch der Bund das bevorstehende Jubiläum als „Angelegenheit von gesamtstaatlicher und internationaler Bedeutung“, wie es kürzlich Kulturstaatsminister Bernd Neumann formulierte.

Ronald Berg

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