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Kultur: Das Dilemma der Diva

Autorentheater-Tage am DT: Birgit Minichmayr gastiert mit dem „Interview“ nach Theo van Gogh

Er kontrolliert die Macht, sie lässt ihre Brüste vergößern. Aber ist der Unterschied zwischen den beiden wirklich so groß? Er will seinen Namen auf der Titelseite der Zeitung lesen, sie will, dass ein großes Publikum ihre Filme sieht. Die Begegnung eines seriösen, angeblich intellektuellen Journalisten mit einer gefeierten Soap-Darstellerin – davon handelt „Interview“, der Film des Schriftstellers Theodor Holman und des 2004 von einem muslimischen Fundamentalisten ermordeten Regisseurs Theo van Gogh. Jetzt haben der Schriftsteller Stephan Lack und der Regisseur Martin Kusej für das Zürcher Neumarkt ein Theaterstück daraus gemacht. Die Hauptrollen spielen Sebastian Blomberg und Birgit Minichmayr. Am Sonntag gastiert die Inszenierung im Rahmen der Autorentheater-Tage am Deutschen Theater Berlin.

Im „Interview“ wechseln die Rollen und Machtsverhältnisse ständig. Was zunächst aussieht wie eine Konfrontation zwischen Intellekt und äußerer Erscheinung, wird zu einem Spiel zweier Manipulationsprofis. Beide kennen die Verlogenheit der Medien; für sie ist es ein Spiel, er hält seine Lügen für die Wahrheit. In dem niederländischen Film von 2003 wurde der Journalist von dem renommierten Shakespeare-Schauspieler Pierre Bokma dargestellt. Seine Interviewpartnerin ist der damals in den Niederlanden tatsächlich sehr erfolgreiche Soap-Star Katja Schuurman. Gedreht wurde in ihrem Haus.

Birgit Minichmayr findet den Film „großartig“: „Es war mir ein Vergnügen den beiden zuzusehen, wie sie sich gegenseitig fertigmachen.“ Als der Film in den Niederlanden im Kino lief, war Schuurman dort eine Diva ohnegleichen. Zwar war nicht ganz klar, was ihre Qualitäten waren, aber jeder Niederländer kannte und liebte sie. Im Film gibt es viele kleine Witze, die auf Schuurman und ihren Ruf anspielen. Kurz vor den Dreharbeiten hatte sie zum Beispiel betrunken einen Verkehrsunfall verursacht. Und im Film setzt sie dann natürlich auch ihr Auto gegen ihre Hausmauer. Minichmayr kennt das Dilemma Katja Schuurmans, die seinerzeit die bekannteste niederländische Darstellerin war, doch immer nur in Soaps, nie in ernsthaften Filmen.

„Die Figur der Katja im Film ist eine sehr intelligente Frau“, sagt Minichmayr, „aber sie weiß auch, was das Publikum von ihr will und bedient dieses Klischee. Meines Erachtens ist sie eine leidenschaftliche, aber auch eine selbstzerstörerische Person, die über Leichen gehen kann. Ich habe mir die Frage gestellt: Warum lässt sie den Journalisten abends so lange in ihre Wohnung? Ich, Birgit, hätte ihn schon viel schneller rausgeschmissen. Er ist unverschämt, hat sich nicht vorbereitet, er beleidigt sie. Sie wehrt sich. Doch ihr gefällt auch das Spiel mit dem anderen, und sie ist interessiert an seinen Schwächen“.

Minichmayr ist eine ganz andere Schauspielerin als Schuurman. Der Kraft des Stückes tut das keinen Abbruch, findet Drehbuchautor Theodor Holman: „Theo van Gogh und ich fanden das Spiel mit dem Ruf Katjas damals einfach lustig für das niederländische Publikum“, sagt er: „Aber dieses Stück muss auch dort gespielt werden können, wo keiner weiß, wer Katja Schuurman oder Pierre Bokma sind.“ Holman findet es wichtig, dass jede Bearbeitung des ursprünglichen Filmes einen neuen Schwerpunkt hat. 2007 gab es ein amerikanisches Remake mit Steve Buscemi und Sienna Miller in den Hauptrollen. Das war damals als Ehrenbezeugung für den Regisseur van Gogh. „Der Film war eher ein Streit der Geschlechter. In diesem Theaterstück ist das Kriegstrauma des Journalisten wichtiger. Kusej hat das Stück existentialistisch betrachtet. Die ganze Dramatik ist hier größer", meint Holman. Es berührt ihn, dass der Film seines ermordeten Kollegen und Freundes van Gogh immer wieder andere Künstler inspiriert: „Es freut mich, dass er als eine Art Andenken funktioniert.“

Herien Wensink

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