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Kultur: Das doppelte Fritzchen Schlagerparade: Friedrich als Musical in Babelsberg

Monsieur Voltaire macht was her. Wenn der französische Philosoph als tuntige Knallcharge über die Bühne in der Metropolishalle fegt, „Bienvenue à Sanssouci“ schmettert und eine traditionelle Quickstep-Broadwaynummer hinlegt, rast das Premierenpublikum vor Begeisterung: „Willkommen in des großen Königs kleiner heiler Welt!

Monsieur Voltaire macht was her. Wenn der französische Philosoph als tuntige Knallcharge über die Bühne in der Metropolishalle fegt, „Bienvenue à Sanssouci“ schmettert und eine traditionelle Quickstep-Broadwaynummer hinlegt, rast das Premierenpublikum vor Begeisterung: „Willkommen in des großen Königs kleiner heiler Welt!“

Dennis Martin und Peter Scholz präsentieren das Leben des alten Fritz als Musical im Filmpark Babelsberg. Ohne einen Euro aus der Staatskasse – ein echtes Friederisiko. Seit 2003 haben sich die beiden Macher ihre Marktlücke in der deutschen Unterhaltungstheaterszene erarbeitet, mit „Bonifatius“ in Bremen, „Elisabeth – Legende einer Heiligen“ in Eisenach und der „Päpstin“ in Fulda insgesamt 270 000 Tickets verkauft. 33 Vorstellungen sind für ihren neuen Coup „Friedrich“ angesetzt, mit dem sie auf der Königsgeburtstagswelle mitsurfen wollen. Um „Mythos und Tragödie“ soll es gehen, wie der Untertitel verspricht, und zwar „am Originalschauplatz“.

Nun ja, vor der Babelsberger Mehrzweckhalle erstreckt sich ein sandiger Parkplatz, dahinter, auf dem Studiogelände, ragt ein Pappmachégebirge in den märkischen Himmel. Barocke Anmut vermitteln hier nur die Projektionen auf der Bühnenrückwand. Die aber sind farbsatt und tiefenscharf, so wie auch die Soundanlage gehobenen Ansprüchen genügt. Die Inszenierung (Holger Hauer) kommt brav filmrealistisch daher, als Bühnenbild (Christoph Weyers) muss eine Treppenpyramide genügen. Als eye catcher wird immer wieder eine überlebensgroße Uniformjacke heraufgezogen, die nie wirklich ins Spiel kommt. Dafür gibt es hier das doppelte Fritzchen: Tobias Bieri birst als Kronprinz nur so vor Tatendrang und vokaler Power, Chris Murray ist für die Stirnrunzeleien des desillusionierten Potentaten zuständig.

Die beim Musicalpublikum so beliebten Biograficals funktionieren nach dem Muster der Konfektionsopern des 19. Jahrhundert. Damals wurden Romanvorlagen und Dramen ins Korsett der Librettokonvention gepresst, heute macht man sich die Vita historischer Promis passend. Mitsorgtheater im Tragödienstadl. Dabei dürfen vier Songsujets nie fehlen: das trotzige Ich-lass-mich-nicht-verbiegen-Solo, danach das Zu-zweit-können- wir-die-Welt- erobern-Duett, nach der Pause eine bittere Wo-sind-meine-Träume-geblieben- Ballade und schließlich die sentimentale Es-kann-wieder-so-wie-früher-werden- Nummer. Ein Leben als Schlagerparade, dargeboten mit dem musicaltypischen emotionalen Überdruck.

Mag ihm für „Friedrich“ auch kein Ohrwurm gelungen sein, Marc Schubring bedient alle Bedürfnisse des Genres souverän, mit melodischer Fantasie und sicherem musikdramatischem Handwerk. Nur leider hakt es bei der Ausführung: Die Darsteller tragen zwar Mikrofone, gut sichtbar auf Wangenhöhe angebracht, die Begleitung aber kommt vom Band. Als akustische Flachware aus dem Computer, abgemischt mit waberndem Synthesizersound und seifigen Streichern, die nur als Samples virtuell in den Soundtrack eingeflochten wurden wie alle übrigen Orchesterinstrumente. Der Zauber einer Liveaufführung geht da flöten, mögen die Darsteller auch noch so sicher singen.

Schade, denn dramaturgisch ist die Story recht raffiniert konstruiert: Katte, Friedrichs Jugendfreund, mit dem er dem militärischen Drill entfliehen will und der dann als Deserteur vor seinen Augen enthauptet wird, taucht als Stimme der Moral immer wieder auf, erinnert den König an seine Träume, widerspricht, mahnt – im kattegorischen Imperativ.

Breit wird der Konflikt des Kronprinzen mit dem Vater (Heiko Stang) ausgespielt, das Volk darbt und kämpft (in beschämend einfältigen Choreografien von Doris Marlis), in Ermangelung verwertbarer Frauengeschichten mutiert die königliche Schwester Wilhelmine (Elisabeth Hübert) zur first lady des Stücks. Für einen hellen Moment in diesem düsteren Drama sorgt – neben Voltaires Showstopper – allein die Episode am Dresdner Hof. Dort werden zum Entsetzen des Soldatenkönigs wüste Partys gefeiert, und August der Starke trällert: „Lasst uns essen – und zum Nachtisch gibt’s Maitressen!“ Der reinste Zwingerclub. Frederik Hanssen

Bis 30. Juni, mittwochs bis sonntags,

Infos: www.friedrich-musical.de

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