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Das DSO und Tugan Sokhiev: Frisch verliebt

Anfang September hat Tugan Sokhiev sein Amt als Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters angetreten, beim dritten gemeinsamen Projekt knistert am Freitag die Luft in der Philharmonie vor gegenseitiger Zuneigung.

Sie sind immer noch in den Flitterwochen: Anfang September hat Tugan Sokhiev sein Amt als Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters angetreten, beim dritten gemeinsamen Projekt knistert am Freitag die Luft in der Philharmonie vor gegenseitiger Zuneigung. Das klangkulinarisch komponierte Programm ist aber auch eine Steilvorlage für den 35-jährigen Nordosseten. Sokhiev liebt den farbintensiven Tuttisound, die sinfonische Sinnlichkeit, interessiert sich eindeutig mehr für Tonmalerei als für analytische Partiturexegese.

Alle drei Werke beschwören Exotisches, Mili Balakirews „Ismaley“ von 1869 den Kaukasus, Nikolai Rimski-Korsakows „Scheherazade“ (1888) den Orient und Camille Saint-Saens’ 1896 entstandenes 5. Klavierkonzert Ägypten. Dabei tritt das unbekannte Fremde allerdings kaum in authentischer Form in Erscheinung. Im 19. Jahrhundert genügen schon ein paar pikant gewürzte Akkorde im tonalen Satzgefüge, um bei den Zuhörern Fernwehfantasien auszulösen.

Kann man den knalligen, blechblitzenden Klang, den das DSO entfaltet, bei „Ismaley“ noch auf die arg plakative, freilufttaugliche Instrumentation des ursprünglich als Klaviersolo geschriebenen Stücks durch Sergej Ljapunow schieben, wird spätestens in der „Scheherazade“ klar: Wie bei frisch Verliebten sprechen auch der Maestro und seine Musiker lauter als nötig. Auf dass alle von ihrem Glück erfahren. So souverän Sokhiev, so technisch brillant die Musiker – welch betörende Wirkung ein Pianissimo entfalten kann, beweisen Konzertmeister Wei Lu (in seinen Soli bei Rimski-Korsakow) und Jean-Yves Thibaudet als Klaviersolist. Schäumend wie die Stromschnellen des Nil sind Thibaudets Tonkaskaden im Eröffnungssatz, zuckersüß die „nubischen“ Impressionen des Andante. Leichtigkeit und Eleganz nobilitieren das effekthascherische Virtuosenstück, heben es auf eine höhere Ebene des zarten und dennoch ehrlichen Gefühls. Um so kraftvoller der Jubel.

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