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Kultur: Das Empire

Rüdiger Schaper über Harold Pinter und George W. Bush Er ist ein zorniger alter Mann.

Rüdiger Schaper über

Harold Pinter und George W. Bush

Er ist ein zorniger alter Mann. Very, very angry. Er hat sein Leben lang gegen Folter und Unterdrückung gekämpft. Seine Theaterstücke haben vielleicht auch nur ein Thema: die Gewalt, die Menschen einander anzutun in der Lage sind. Wie Vaclav Havel und Arthur Miller, wie sein Landsmann Edward Bond (und in der Generation davor Bertolt Brecht und JeanPaul Sartre) zieht er keine Demarkationslinie zwischen Kunst und Politik – eine anstrengende Haltung, die altmodisch erscheint und wenig opportun.

Doch schert es Harold Pinter wenig, was gerade die intellektuelle Mode ist. Als der 72-jährige britische Dramatiker und Regisseur dieser Tage von der Universität Turin die Ehrendoktorwürde erhielt, zog er gegen George W. Bushs Amerika vom Leder. Eine bemerkenswerte Rede: Pinter sprach vom „Alptraum der amerikanischen Hysterie, Ignoranz, Arroganz, Dummheit und Kriegslust“. Er wies darauf hin, dass die USA „mehr Massenvernichtungswaffen besitzen als der Rest der Welt zusammen“ und selbstverständlich keine Inspektionen ihrer eigenen Anlagen dulden. Die Kriegsabsichten gegen den Irak, so Pinter, seien „bewusst geplanter Mord an tausenden von Zivilisten“, die Bush-Administration „ein blutrünstiges Biest“, dem sich der britische Premier Blair auf beschämende Weise unterwerfe.

Es mag sein, dass Pinter in seiner Polemik übers Ziel hinausgeschossen ist. Doch bricht sich in seinen harten Worten auch Verzweiflung Bahn – und Ohnmacht. Lässt sich die US-Kriegsmaschine überhaupt noch stoppen? Werden die Vereinten Nationen von Bush zum Statistenclub degradiert? „Die USA und Großbritannien verfolgen einen Kurs, der nur zu einer Eskalation und Gewalt auf der ganzen Welt und schließlich zur Katastrophe führen kann“, lautet Harold Pinters Schlussfolgerung. Ist das wirklich nur die einsame Stimme eines alten politischen Aktivisten, dem die apokalyptische Fantasie durchgeht?

Paul Kennedy, Direktor der International Security Studies Yale und Autor des berühmten Buchs „Aufstieg und Fall der großen Mächte“, beschreibt im Newsweek-Sonderheft „Issues 2003“ einen alarmierenden Paradigmenwechsel. Militärisch und ökonomisch derzeit unschlagbar, sei die Weltmacht USA unter der Führung von George W. Bush dabei, eine bedeutende „Ressource“ zu verspielen. Kennedy spricht von dem „Respekt und der Bewunderung“, die Amerika gewonnen und genossen habe, als die Präsidenten Wilson, Roosevelt oder Kennedy hießen. Er warnt davor, diesen kulturellen Faktor zu unterschätzen – weil er jetzt durchaus Parallelen zur Endzeit des British Empire sieht. Das Empire sei letztlich auch an seiner Selbstüberhebung gescheitert.

Der Global Attitude Survey hat soeben eine Studie veröffentlicht: Das Ansehen der USA sei weltweit im Sinken begriffen, nicht nur in arabischen Staaten. Was kümmert das den mächtigsten Mann der Welt, mag man einwenden; das Weiße Haus war schließlich nie ein Sinnbild von Unschuld. Aber da landet man wieder bei der „Arroganz und Ignoranz“, die Pinter der amerikanischen Führung vorwirft. Sind die Amerikaner nicht auch deshalb zur mächtigsten Nation aufgestiegen, die jemals auf diesem Planeten saß, weil sie eine Vorbildfunktion erfüllten, einen Traum? Demokratie, multikulturelle Gesellschaft, Religionsfreiheit und der pursuit of happiness: Dazu passt ein Bombenkrieg, ein Kreuzzug im Alleingang schlecht. Und auch nicht ein innenpolitisches Klima, das Künstler außerhalb des Mainstreams wie Sean Penn in die Nähe von Staatsfeinden rückt.

Mit uns oder gegen uns, hat Bush nach dem 11. September gesagt. Aber wer schadet am Ende Amerika mehr?

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