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Kultur: Das Ende der Mir: "Wir haben viel von ihr gelernt"

Walter Flury (57) ist Wissenschaftler bei der EU-Raumfahrtagentur und Experte für den Wiedereintritt von Satelliten in die Erdatmosphäre. Herr Flury, bedauern Sie den bevorstehenden Absturz der Mir?

Walter Flury (57) ist Wissenschaftler bei der EU-Raumfahrtagentur und Experte für den Wiedereintritt von Satelliten in die Erdatmosphäre.

Herr Flury, bedauern Sie den bevorstehenden Absturz der Mir?

Ja und nein. Einerseits ist es natürlich schade, dass die letzte große Raumstation der Russen zerstört wird. Wir haben schließlich viele interessante Experimente auf dieser Station gemacht. Andererseits ist die Technologie der Mir nun einmal überholt. Damit wird sie irgendwann auch zu einem Sicherheitsrisiko. Deshalb ist es vernünftig, die Station herunterzuholen, bevor sie unkontrollierbar wird.

Was ist die wichtigste Erkenntnis, die wir durch die Mir gewonnen haben?

Die Mir hat uns in vielen Bereichen weitergebracht. Vor allem haben wir natürlich viel über Langzeitaufenthalte von Menschen im All gelernt. Ich denke dabei an medizinische Probleme wie den Kalziumabbau in den Knochen unter dem Einfluss der Schwerelosigkeit, aber auch an das Verhalten von Menschen, die über lange Zeit auf engstem Raum in dieser fremdartigen Umgebung eingeschlossen sind. Und all diese Kenntnisse fließen natürlich in den Bau der ISS ein.

Ist die Anwesenheit von Menschen in einem Raumlabor überhaupt nötig? Ohne Menschen ist die Raumfahrt doch billiger.

Da haben Sie schon Recht, billiger wäre es. Aber ohne Menschen lässt sich eben auch vieles nicht machen. Denken Sie nur an die Außenarbeiten beim Aufbau der ISS. Ich will nicht behaupten, dass so etwas nicht irgendwann mit Robotern möglich wäre - aber das wäre extrem aufwändig. Es gibt einige Satelliten, die nutzlos im All kreisen, nur weil sich vielleicht irgendwo eine Klammer nicht richtig gelöst hat - der Mensch könnte das Problem mit dem kleinen Finger lösen.

Wäre es nicht vernünftiger gewesen, statt eines kompletten Neubaus die Mir zum Kern einer internationalen Raumstation zu machen?

Kaum. So erfolgreich die Mir war, es ist Technologie der achtziger Jahre - die ganze Energie- und Computertechnik hat sich enorm weiterentwickelt. Die Weiterverwendung wäre da einfach unökonomisch.

Warum ist der Versuch gescheitert, die Mir als kommerzielle Station zu betreiben?

Die Betriebskosten einer Raumstation sind einfach enorm - rund 150 bis 200 Millionen Dollar pro Jahr bei der Mir. Es muss regelmäßig Treibstoff nach oben geschafft werden, um die Umlaufbahn der Mir stabil zu halten, es müssen regelmäßig Wartungsmannschaften hochgeschickt werden. Da reicht eben auch der geplante Touristen-Flug des amerikanischen Geschäftsmanns Dennis Tito zum Preis von 20 Millionen Dollar nicht aus, um so eine Station dauerhaft zu finanzieren!

Was halten Sie von dem russischen Vorhaben, Tito - der ja ursprünglich zur Mir fliegen sollte - nun als Touristen zur ISS zu fliegen?

Die Astronauten und Kosmonauten durchlaufen alle ein jahrelanges Training. Jemanden - nur weil er viele Dollars hat - nach einem Kurztraining ins All zu schießen, halte ich für ein Sicherheitsrisiko. Der Aufbau der ISS ist ein Job für Profis, der Weltraum ist schließlich gefährlich und lebensfeindlich. Sicher ist irgendwann die Zeit für Weltraumtourismus gekommen - vorerst aber sollten wir sehen, dass der Bau der ISS ohne unnötige Sicherheitsrisiken abläuft.

Herr Flury[bedauern Sie den bevorstehenden Abstur]

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