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Kultur: Das erste Interview

PANORAMA Cyril Tuschis spannende Doku „Khodorkovsky“

Um keinen Film dieser Berlinale hat es so viel Aufregung gegeben wie um die Langzeit-Dokumentation „Khodorkosky“. Diese Aufregung wird maßgeblich angeheizt von den Geschichten über Einbrüche in Hotelzimmer und dem Diebstahl von Filmmaterial. So etwas adelt den Film als brisant und suggeriert: Wer diesen Film sieht, weiß zuviel. Wer diesen Film sieht, hilft das darin enthaltene Wissen zu verteilen und so vor Vernichtung durch geheime Kräfte zu bewahren. Wer diesen Film sieht, leistet einen Beitrag für Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte. Ja, wer diesen Film sieht, sieht nicht nur etwas Relevantes, sondern tut sogar etwas Relevantes.

Doch wie so oft füllt die unfreiwillige Publicity zwar die Säle, ist aber der Rezeption des Films eher hinderlich. Denn das sensationshungrige Publikum wartet auf Enthüllung und Kontroverse – und erfährt doch kaum etwas, was nicht auch bei einer gründlichen Internetrecherche herauskäme. Regisseur Cyril Tuschi nimmt die Position ein, die in Westeuropa Konsens ist: das Verfahren gegen Michail Chodorkovsky als ein Machtspiel mit Wladimir Putin aufzufassen. Es kommen hauptsächlich Stimmen aus dem Umfeld Chodorkovskys zu Wort und darunter leidet schließlich auch die einzige echte Sensation des Films: das erste Interview mit Chodorkovsky seit der Festnahme. Durch die Scheiben seines Panzerglaskäfigs kann er wenig Überraschendes beisteuern, weil der Film seine Position längst dargelegt hat.

Durch die enttäuschte Erwartung kann man leicht übersehen, dass „Khodorkovsky“ nicht Unerhebliches leistet: Er ist eine ungemein unterhaltsame, sorgfältig recherchierte Schilderung einer faszinierenden Karriere, die exemplarisch ist für die Entwicklung Russlands vom Sozialismus zum Kapitalismus. Diese spannende Geschichte kommt auch ohne sensationelle Enthüllung aus. David Assmann

Heute 17.30 Uhr (Cubix 7); 20. 2., 15.30 Uhr (Colosseum 1)

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