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Kultur: Das Galerienkarussell

Die Berliner Kunstszene bleibt in Bewegung

In Berlin ist es schwer, mit Kunst Geld zu verdienen, sehr schwer sogar. Es gebe zu wenig Sammler, zu wenig Kapitalkraft, und mit den öffentlichen Einrichtungen sei auch nicht zu rechnen – das sind Klagen, die immer wieder zu hören sind. In merkwürdigem Gegensatz dazu steht der Umstand, dass es offensichtlich nach wie vor genug Leute gibt, die bereit sind, ihr Glück trotzdem im Kunsthandel zu versuchen.

Und es werden immer mehr. In den letzten Jahren sind Dutzende neue Galerien eröffnet worden, gerade sind wieder drei Neuzugänge zu vermelden: Gitte Weise aus Sydney war mit ihren Erfahrungen auf dem letzten Art Forum anscheinend so zufrieden, dass sie sich entschieden hat, in der Linienstraße eine Dependance zu eröffnen. Die freie Kuratorin Klara Wallner wird im Februar eine Galerie aufmachen. Und auch ihr Kuratoren-Kollege Jan Winkelmann, bis vor kurzem an der Galerie für zeitgenössische Kunst in Leipzig, probt derzeit den Seitenwechsel in einer umfunktionierten Wohnung in den Hackeschen Höfen, bevor er in Düsseldorf Galerieräume eröffnen wird.

Doch auch Abgänge sind zu verzeichnen, meistens still und leise, aber manchmal auch solche mit Aplomb, und wenn man das zurückliegende Jahrzehnt einmal Revue passieren lässt, so sind es mehr als man denkt. Wer erinnert sich noch an die Galerie Klaus Fischer (nicht zu verwechseln mit dem Kunsthandel Klaus Fischer, der spielt in einer anderen Liga)? Oder an Frank Hänel aus Frankfurt am Main und Matthias Kampl aus München, die in der Hauptstadt tolle Geschäfte witterten, bis sie sang- und klanglos wieder verschwanden, in Hänels Fall recht plötzlich, bei Matthias Kampl eher in Stufen: von der Galerie zum „Projektraum“ zur mobilen Ausstellung mit wechselnden Orten. Pech hatte auch Hans Mayer, als er sich ausgerechnet in unmittelbarer Nachbarschaft zu der nach dem 11. September 2001 Stacheldraht-bewehrten US-Botschaft ansiedelte. Aber auch er hat sich keine neuen Räume gesucht, sondern konzentriert sich wieder ganz auf sein Düsseldorfer Stammhaus.

Gerade 2003 gab es eine Reihe von Galerieschließungen. Bei Hartmann und Noé mögen auch Altersgründe eine Rolle gespielt haben, als sie sich aus dem aktiven Ausstellungszirkus verabschiedet haben, bei Paula Böttcher war es sicher etwas anderes: Der lange offene Brief, den sie zum Abschied veröffentlichte, war zwar etwas dramatisch formuliert und im Ton überzogen – von der „Monstrosität des Kunsthandels“ ist hier zu lesen und von einer „maroden Gesellschaft“. Dennoch offenbarte er einen Grundkonflikt: den Spagat zwischen Marktgängigkeit und Eigensinn, zwischen „unbequemen“ künstlerischen Positionen und „bequemer“ Ökonomie-gerechter Konfektionierung.

Von Michael J. Wewerka, dem dritten Nicht-mehr-Kunsthändler des Jahres 2003, sind derartige Leidensposen nicht zu erwarten. Doch auch er, Galerist seit 31 Jahren, sagt: „Es ist ein ständiges Rauf und Runter.“ Nicht nur in finanzieller Hinsicht.

Ulrich Clewing

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