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Kultur: Das gekrönte Ei

Am russischen Zarenhof entstanden die kostbarsten Ostereier der Welt

So ein Ei hat an sich ja schon das ideale Design. Sanfte Rundung, reduzierte Farbgebung, asketische Schönheit – die perfekte Einheit von Form und Funktion. Und doch kann man sich gerade in diesen Tagen davon überzeugen, auf wie vielfältige Weise ein Ei umgestaltet werden kann. Der Meister unter den Künstlern am Ei war Peter Carl Fabergé. Der Hofjuwelier des Zaren Alexander III. von Russland kam 1885 auf die Idee, ein ganz besonderes Osterpräsent für den Regenten an seine Gattin Maria Feodorovna zu kreieren: ein Schmuckei. Vergleichsweise schlicht war dieses erste Modell aus Gold mit einer weiß emaillierten Schale, die aufklappbar war. Innen saß ein goldenes Huhn mit Augen aus blitzenden Rubinen.

Die Zarin war hingerissen. Und nicht nur sie. Alle Welt wollte mit einem Mal die russischen Kostbarkeiten, und daran hat sich bis heute nicht viel geändert: Der Weltrekord liegt bei 9,6 Millionen Dollar, die ein Scheich bei Christies’s in New York 2002 für das mit 3000 Diamantsplittern besetzte „Winter-Ei“ bezahlte. Doch damit scheint die Preisspitze noch nicht einmal erreicht zu sein: Auf 24 Millionen Dollar war allein das „Krönungskutschenei“, das Zar Nikolaus II. Prinzessin Alexandra 1897 zur Feier der Thronbesteigung geschenkt hatte, im letzten Frühjahr geschätzt worden, als mit einem Schlag neun der Fabergé-Eier aus der Sammlung des verstorbenen Medienmoguls Malcom Forbes bei Sotheby’s versteigert werden sollten. Der 47-jährige russische Industrie-Magnat Viktor Wechselberg kam der Auktion zuvor und erstand das insgesamt 180-teilige Konvolut für geschätzte 100 Millionen Dollar direkt von den Erben. Seither wetteifern Kreml-Museum und die Eremitage in St. Petersburg um den Zuschlag, die Fabergé-Eier dauerhaft ausstellen zu dürfen.

Immerhin hat Wechselberg mit seinen einmaligen Coup den Bestand an Fabergé-Eiern in Russland fast verdoppelt. Denn die echten kaiserlichen Eier sind rar: Es existieren überhaupt nur 50 von Fabergé gefertigte Ostereier, die an die Zaren ausgeliefert worden sind. Zehn von ihnen befinden sich im Kreml-Museum. Die anderen wurden in den Westen verkauft, acht verschwanden während der Revolution. Drei sind heute im Besitz der englischen Queen, 14 in amerikanischen Museen. Hin und wieder taucht einmal ein Ei auf, das zu den verschollenen zählen soll, doch selten werden sich die Experten über die Echtheit einig. „Auf jedes echte Stück, das einem angeboten wird, kommen zehn Fälschungen“, schätzt der bei New York lebende Géza von Habsburg, Ur-Ur-Enkel des vorletzten österreichischen Kaisers Franz Joseph I. und ausgewiesener Kenner der Fabergé-Eier.

Fabergé selbst floh in den Wirren der Oktoberrevolution nach Deutschland, er starb 1920 in der Schweiz. Erst 1989 wurde die Marke wiederbelebt, als die Pforzheimer Juwelenmanufaktur Victor Mayer von der amerikanischen Holding exklusiv beauftragt wurde, unter dem Namen Fabergé kostbaren Schmuck, Ei-Objekte und Uhren herzustellen.

Das schönste Fabergé-Ei bleibt für von Habsburg aber das „Winterei“, das eigentlich „Frühlingsei“ heißen müsste, denn der Fuß scheint bereits zu schmelzen und im Innern verbergen sich zarte Blüten. Damit ist selbst bei den kostbarsten Ostereiern der Welt das Einfache das Beste. Denn der reine Materialwert von Bergkristallen und Diamantsplittern liegt lediglich bei 10000 Euro.

Nach Ostern erscheint im Hirmer-Verlag München das Buch „Fabergé – gestern und heute“.

Katrin Wittneven

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