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Kultur: Das Gesetz der Serie Götz Diergartens stille Strandbilder

Das Meer ist ganz nah auf diesen Bildern, zu sehen ist es nicht. Nur einmal erhascht man einen Blick auf einen schmalen Streifen Sand und auf das seichte, trübe Wasser dahinter.

Das Meer ist ganz nah auf diesen Bildern, zu sehen ist es nicht. Nur einmal erhascht man einen Blick auf einen schmalen Streifen Sand und auf das seichte, trübe Wasser dahinter. Götz Diergarten, 1972 in Mannheim geboren, hat in Düsseldorf studiert und lebt heute in Frankfurt am Main. Fern dieser Großstädte fotografiert er das, was vor dem Strandvergnügen liegt: die Umkleidekabine. Jene Orte, die in ihrer Düsternis und Enge das exakte Gegenteil dessen sind, das die Menschen danach erwartet – das Licht, die Weite, die Sonne.

Normalerweise handelt es sich bei Strandhäuschen um kein sehr kompliziertes Stück Architektur. Sie weichen nur in Nuancen voneinander ab. Doch genau deshalb hat Diergarten, dem die Galerie Kicken derzeit eine Einzelausstellung widmet, sie zum bevorzugten Motiv erkoren. Denn im Vergleich, der Gegenüberstellung und Aneinanderreihung wird aus dem Banalen das Besondere. Wenn dann noch als Minimaldekor unterschiedlich breite Streifen dazukommen, wie bei den Badekabinen, die Diergarten im letzten Jahr in der Normandie und an der belgischen Küste vorfand, wird die Sache mitunter sogar komisch – die Wiederkehr des vermeintlich Immergleichen als running gag (Auflage 8, Einzelbilder 2100 Euro, Panoramen 3200 Euro).

Dabei erfüllen Diergartens Fotos alle Erfordernisse von großer Kunst: Sie sind brillant aufgenommen, präzise mittig austariert und die Farben leuchten satt. In alldem erweist sich der Künstler als kongenialer Schüler seiner Lehrer Bernd und Hilla Becher, bei denen er an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert hat. Allerdings gibt es auch fundamentale Unterschiede, die Diergartens Werken einen ganz anderen Charakter verleihen. Wo die Bechers Monumentalität walten lassen, besitzen Diergartens Arbeiten bei aller konzeptuellen Strenge eine angenehme Leichtigkeit.

Bei Kicken ist noch eine zweite Serie von Diergarten ausgestellt, die zwischen 1997 und 2001 entstanden ist. Sie heißt „Fassaden“, zeigt aber genau genommen nur Ausschnitte davon: Fenster und Türen von Häusern in der Westpfalz, einer Gegend in Deutschland, die – um es zurückhaltend zu formulieren – nicht gerade für ihren architektonischen Reichtum bekannt ist. Diese Fenster und Türen, an sich ja jene Stellen, an denen sich ein Haus nach draußen öffnet, sind hier von Jalousien verschlossen oder von Vorhängen verhängt. Da erweist sich Diergarten als wahrer Künstler der Verwandlung: Mit Symmetrie und spärlich eingesetzter Farbe wird aus dem tristen Ambiente unvermutet – ein graphisch anspruchsvolles Bild.

Kicken Berlin, Linienstraße 155, bis 15. Januar 2005; Dienstag bis Freitag 11–18 Uhr, Sonnabend 14–18 Uhr.

Ulrich Clewing

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