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Kultur: Das Gewölbe des Kaisers

Das Wort Untergrund ist in den vergangenen Jahren selbst ziemlich heruntergekommen. Wer immer irgendetwas vermarkten möchte, der klebt das Wort wie eines jener grellen Etikette, mit denen der Schallplattenhandel für seine Bestseller wirbt, auf sein Produkt.

Das Wort Untergrund ist in den vergangenen Jahren selbst ziemlich heruntergekommen. Wer immer irgendetwas vermarkten möchte, der klebt das Wort wie eines jener grellen Etikette, mit denen der Schallplattenhandel für seine Bestseller wirbt, auf sein Produkt. Aber es gab Zeiten, da musste man tatsächlich in den Untergrund steigen, um Klänge zu hören, die in den Musikabteilungen der Media- Märkte nicht zu haben war. Da gab es eine unterirdische öffentliche Toilette in Mitte, die findige Veranstalter gepachtet und kurzerhand zum Tanzclub erklärt hatten. Man ging eine Treppe hinunter und noch bevor sich die Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten, flatterten einem die Hosenbeine um die Knie. Ohnehin waren es immer Treppen, die einem den Weg zur jeweils neuesten Musikmode wiesen.

Der Club Zur Möbelfabrik (ZMF) nimmt den Untergrund dieser Tage wörtlich. Eine Party-Reihe will dass alte Konzept der unbekannten Orte reanimieren. Vor kurzem gab es Kino in einem vergessenen Schacht, danach tanzte man auf einem Schrottplatz. Wer am 28. Oktober mit in die Tiefe klettert, wird nicht nur ein kaum bekanntes Gewölbe entdecken, sondern auch ein wenig bekanntes Kapitel Berliner Geschichte. Treffpunkt ist ein Zelt an der Spree, gegenüber von Staatsratsgebäude und Palast der Republik. Von dort geht es über eine Leiter fünf Meter tief in die Katakomben der sogenannten Schlossfreiheit . Das Motto des Abends: „50 Jahre Vergessen“. Tatsächlich ist der Ort viel älter. Er geht auf ein Privileg zurück, das Kurfürst Friedrich Wilhelm I. den Mietern des Straßenzuges an der Spree 1672 einräumte. Weil die Häuser auf weichem (Unter-)Grund standen, waren die Anwohner von Zunftrecht, Steuern und anderen Abgaben befreit, also frei von den Pflichten des Schlosses. Das bunte Treiben auf der florierenden Geschäfts- und Amüsiermeile, an die das Buch „Schlossfreiheit. Vor den Toren des Stadtschlosses“ der Brüder Arnold erinnert (Bebra Verlag), musste jedoch schon 1892 einem Denkmal für Kaiser Wilhelm I. weichen. Morgen beleben die DJs Jön und Cake WK sowie die Band The Up Escalator noch einmal die ehemalige Schlossfreiheit – und die Musik spielt ausnahmsweise mal die Nebenrolle.

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