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Kultur: Das Gipfeltreffen

Von Picasso bis Pernice: Die 35. Art Basel bleibt eine Messe der Superlative

Humorvoll krönt der deutsche Archivierungspoet Hans-Peter Feldmann seine Standkonzeption für die New Yorker Galerie 303 auf der Art Basel: „Hell erstrahlen alle Mienen bei dem schönen Wort verdienen“ ist über dem Eingang zu seiner Soloshow zu lesen. Und die Gesichter leuchten auf der wichtigsten Kunstmesse der Welt wie auf keiner anderen sonst. Aus einer Bewerberschar von 850 – bei einer Wiederbewerbungsquote von 99 Prozent – wurden 270 Galerien aus aller Welt ausgewählt, die Werke von rund 1500 Künstlern von der klassischen Moderne bis in die jüngste Gegenwart präsentieren. Mit Sektionen für Nachwuchskünstler, einer 12000 Quadratmeter umfassenden Sonderhalle für Installationen und seit diesem Jahr auch Außenskulpturen auf dem Vorplatz hat die Messe in den letzten Jahren ihr Spektrum erweitert und ist zum einzigartigen Gipfeltreffen der Museums-, Kuratoren-, und Sammlerszene geworden.

Als am Dienstag um elf Uhr die Vorbesichtigung für ausgewählte Gäste – vor der abendlichen offiziellen Vernissage – begann, setzte dann auch hektische Betriebsamkeit ein. Nach fünfundvierzig Minuten war der erste Rausch vorbei, und die roten Punkte konnten an die verkauften Stücke geklebt werden. Wer eines der vier bei Eigen + Art und David Zwirner ausgestellten Gemälde von Neo Rauch ergattern wollte, musste sich sputen – und das, obwohl die Großformate inzwischen 170000 Euro kosten. Der Berliner Galerist Judy Lybke verhandelte geschickt und konnte einen deutschen Privatsammler sogar davon überzeugen, seine neue Arbeit zunächst für fünf Jahre dem im Dezember eröffnenden Museum der Bildenden Künste in Leipzig zur Verfügung zu stellen.

Nach dem ersten Run aber kehrt konzentrierte Ruhe in den Messehallen ein. Das Publikum ist, vor allem durch die in den vergangenen Jahren angestiegene Zahl von Messen für zeitgenössische Kunst, informierter als jemals zuvor, vergleicht, wägt ab und entscheidet sehr bewusst. Fast museal wird dann die Atmosphäre, vor allem angesichts der Meisterwerke des letzten Jahrhunderts: Rare Stücke von Max Ernst und Giacometti bei Brusberg, russische Avantgarde bei Stolz aus Berlin, die am ersten Abend bereits elf Bilder verkaufen konnten. Allein 27 Galerien haben Werke von Picasso im Angebot, darunter millionenteure Großgemälde. Wobei sich in der Kunst Größe nicht in Quadratmetern fassen lässt. Nur 32 mal 44 Zentimeter misst bei Landau Fine Arts ein leuchtender Berggipfel von Jawlensky aus dem Jahr 1912 (1150000 Dollar), der zu den schönsten Arbeiten der Messe gehört. Allein der New Yorker Händler Landau wartet zudem mit einem grün schillernden Gemälde von Max Ernst (2950000 Dollar) und einem Frauenbildnis von Picasso für 7,5 Millionen Dollar auf. Nicht mehr verraten wird der Preis für Dubuffets „Le Passage cloute“ – das bereits verkauft ist.

Höchste Diskretion auch am Stand von Larry Gagosian – nicht einmal Namensschilder sind geklebt. Wer wollte es dem global Dealer verdenken angesichts der Ikonen, die sich hier zum Miniaturmuseum versammeln: ein Akt von Picasso neben einem abstrakten Bild von Gerhard Richter und ein gekreuzigtes Skelett von Damien Hirst, über dem die Augäpfel schweben, wie einst die Basketbälle bei Jeff Koons – von dem drei Staubsauger in einer Vitrine stehen. Allein der Hirst aus dem Jahr 1999 kostet stolze 750000 Dollar. Dass die von manchen totgesagte Brit-Art lebt, beweist einmal mehr auch Jay Jopling bei White Cube, wo neben den Altmeistern Gilbert & George, die ihren Auftritt im englischen Pavillon der nächsten Biennale von Venedig ankündigen, eine der spektakulärsten Arbeiten der Messe präsentiert wird. Dinos & Jake Chapmans „Sex II“, eine von Goya adaptierte, ins Dreidimensionale übertragene Hinrichtungsszene, bei der die lebensgroßen Leichen von Würmern, Maden und Käfern bevölkert sind. Verkauft wurde das Gruselkabinett, dessen Kriegswirklichkeit einen trotz der sensationsheischenden Geste kalt erwischt, für 450000 Pfund.

Anderes wirkt in der Masse dagegen glatt, wie die unzähligen Werke von Julien Opie. 9000 Euro kostet schon die 25-er Auflage „Sara gets undress“. Nach dem Prinzip der Wackelbilder erscheint die reduzierte Silhouette mal bekleidet, mal unbekleidet. Auch in der Riesenhalle Art Unlimited mit den 60 Großprojekten ist nicht alles, was aufwändiger ist, auch besser geworden. Erwin Wurm etwa, der mit seinen aufgequollenen „Fat Cars“ Furore machte, präsentiert ein begehbares „Fat House“, das, wie die Riesenstühle von Robert Therrien, allenfalls das Label „Erlebniskunst“ verdient. Und die mit Wasser aus einem Leichenschauhaus angemischten Seifenblasen der mexikanischen Künstlerin Teresa Margolles, mit denen sie kürzlich im Frankfurter Museum für Moderne Kunst eine beklemmende Atmosphäre schuf, zerplatzen wirkungslos an den Rändern des Parcours.

Viele Künstler greifen die eigene Rolle in dem immer schneller werdenden System Kunstmarkt auf. Das gelingt mehr oder weniger: Fulminant ist etwa Isa Genzkens „Spielautomat“ bei der Berliner Galerie neugerriemschneider, den sie mit privaten Fotografien beklebt hat. Bei Tanya Bonakdar aus New York sieht man die Galeristin dagegen doppelt: Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset stellte sie als Wachsfigur vor eine leicht angeschlagene Transportkiste. Für 45000 Euro war aber selbst diese Installation am ersten Tag verkauft. Wie hat es der Maler Martin Kippenberger gesagt? „Man muss zwischendurch auch einmal eine schlechte Arbeit sehen.“

Art Basel bis 21. Juni, täglich 11–19 Uhr, www.ArtBasel.com

Katrin Wittneven

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