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Kultur: Das Glück ist ein Badehäuschen

Architektur-Museum Frankfurt: Baukunststücke von Paul Schmitthenner und Aldo Rossi

Beinahe wäre er 1933 der erste Architekt des NS-Regimes geworden. Aber im letzten Moment sagte er ab. Die zugesagten Kompetenzen gingen ihm nicht weit genug. Möglicherweise wollte er auch den Säuberungsauftrag nicht erfüllen, der mit dem Aufstieg verbunden war: Dem Regime missliebige, von ihm aber geschätzte Baumeister wie Heinrich Tessenow und Hans Poelzig sollten aus ihren Ämtern entfernt werden.

Wie wenig Paul Schmitthenners schlichtes Bauen von den Nazis tatsächlich geschätzt wurde, zeigte sich beim Entwurf des deutschen Pavillons für die Brüsseler Weltausstellung 1935. Hitler verspottete seine dreischiffige Holzbauhalle als „Heustadel“ und entschied sich für einen Monumentalbau. Damit war Schmitthenners Karriere zu Ende. Fortan kritisierte er als einer der wenigen namhaften Architekten offen Albert Speers Bauten. Aber das half ihm später nur wenig, war er doch zuvor für die Nazis eingetreten – in der Hoffnung, sie würden sich zur Schlichtheit bekehren lassen. Das erwies sich als tragischer Irrtum.

Nach 1945 durfte Schmitthenner nicht lehren, später war sein zeitloser Stil nicht mehr gefragt. Jetzt wagt sich Wolfgang Voigt, Vizedirektor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main, an Schmitthenners Werk. Voigt will keine Revision, er will nur der widersprüchlichen Person gerecht werden. Und das gelingt ihm in der mit Fotos, Modellen und Zeichnungen bestückten Schau. Schmitthenners Weg als führender Baumeister seiner Zeit wird deutlich, als renommierter Siedlungsarchitekt, als Gegenspieler Mies van der Rohes und Speers, schließlich als Vergessener. Er wollte Großes, nicht aber Monumentales gestalten. Nachdem er zwei Jahre als Leiter des Stadtbauamtes in Colmar gewirkt hatte, half er als Mitarbeiter von Richard Riemerschmid bei der Siedlungsstadt Hellerau bei Dresden. Ab 1914 leitete er den Bau der Gartenstadt Staaken bei Berlin. Es war die erste Siedlung mit genormten Grundrissen und Bauteilen.

Schmitthenner entwarf fünf Haustypen, mit verschiedenen Türen, Oberlichtern, und Dachausbauten. Diese Ideen wiederholte er später in Brandenburg und Baden-Baden. Auch das Architekturstudium reformierte er ab 1918 in Stuttgart und damit noch vor dem Bauhaus. Aber als die Stuttgarter Weißenhof-Siedlung gebaut werden sollte, zog der Traditionalist den Kürzeren gegenüber dem Modernisten van der Rohe. Später wetterte er gegen die Neue Sachlichkeit: „Es ist unsachlich, Wohnhäuser aus Stahlplatten und Glas zu bauen, um sie dann mit allem möglichem Aufwand gegen Schall, Wärme und Kälte zu isolieren.“ Berühmt wurde sein an Goethes Gartenhaus in Weimar orientiertes Typenhaus mit hohem Walmdach und einfach gegliederter Fassade.

Schönheit lag für ihn allein in der Ordnung, in der schmucklosen Fassade. Die zweite Ausstellung des Architekturmuseums eine Etage höher widmet sich Aldo Rossi (1931-1997), der als Verfechter des rationalen Bauens gilt und sich auf die „Suche nach dem Glück“ machte, wie der Ausstellungstitel besagt. Das Haus kam dank Museumsgründer Heinrich Klotz schon früh in den Besitz von über 200 Zeichnungen und Modellen sowie zwei Skizzenbüchern aus Rossis Frühwerk von 1965 bis 1986.

Diese heute als Juwel geltende Sammlung wird jetzt mit 60 Zeichnungen und Plänen, Modellen sowie Reproduktionen der Skizzenbücher präsentiert. Die Sammlung belegt 14 Projekte Rossis, bis auf die Berliner Häuser in der Wilhelmstraße (1981) alle in Italien lokalisiert. Erst spät baute der lange als Theoretiker bekannte Architekt auch tatsächlich: Populär wurde seine Erweiterung des neoklassizistischen Friedhofs in Modena. Danach entwarf er eine „formale Darstellung des Glücks“, ein Studentenwohnheim mit kleinen Badehäuschen und Fabrikschornstein. Denn Architektur galt ihm als „Form des Überlebens“.

Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt/Main, bis 9. November; Schmitthenner-Katalog 35 Euro, Rossi-Katalog 29 Euro

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