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Kultur: Das Gute, Bare, Schöne

Die Kunst der hohen Kante: Claus Peymann, Direktor des Berliner Ensembles, über das Theater um sein Geld

Herr Peymann, der Berliner Rechnungshof prangert an, dass das Berliner Ensemble finanzielle Rücklagen gebildet und angelegt hat. Wie und wann kamen Sie zu diesen Überschüssen?

Von Beginn meiner Direktion an hatten wir sensationelle Besucherzahlen. Entgegen der Auffassung der Beamten des Rechnungshofes ist es der Reiz einer GmbH, dass sie wirtschaftlich geführt werden kann. Ich sage Ihnen aus jahrzehntelanger Theatererfahrung: Man muss Rücklagen bilden. Wir haben dies zinsgünstig, mündelsicher und nicht spekulativ getan, das Geld ist auch jeder Zeit verfügbar.

Wie hoch waren diese Rücklagen?

Knapp drei Millionen Euro. In einer Stadt wie Berlin ist es offenbar nicht zu vermitteln, dass man einen Subventionsbetrieb mit Gewinn hat. Hier kennt man nur Schulden und Bankrotteure.

Wenn Sie so erfolgreich arbeiten am Berliner Ensemble, muss der Eindruck entstehen, dass das Haus überfinanziert ist.

Wie richtig es war, Rücklagen zu bilden, sehen Sie daran, dass uns die Lotto-Mittel von 2, 8 Millionen Euro auf Null gestrichen werden im nächsten Jahr. Das Lotto-Geld wurde mir vertraglich zugesichert, als ich nach Berlin kam. Ich habe von Anfang an das BE mit 10,5 Millionen Euro Subventionen jährlich für unterfinanziert gehalten. Ein Theater mit unserem Qualitätsanspruch ist damit nicht zu machen. Jetzt müssen wir aus den Rücklagen die wegfallenden Lottomittel kompensieren.

Wozu muss das BE eigentlich noch Lottogeld kassieren, wenn Sie aus eigener Kraft so gut über die Runden kommen?

Das ist die Rechnung von Wowereit, und aus seiner Sicht kann ich das verstehen. Da bin ich ihm nicht gram, er soll auch gern wieder Regierender Bürgermeister werden, er ist doch ein ganz flotter und gescheiter Bursche. Aber: Wenn Lotto wegfällt, ist dieses Haus spätestens 2007 kaputt.

Sie haben nach wie vor gute Zuschauerzahlen, Sie werben ja ständig damit. Also können Sie weiterhin Rücklagen bilden?

Geld erwirtschaftet Geld, das ist das Gesetz des Kapitalismus, wie ich Ihnen wohl nicht erklären muss. Ich bin ja gegen den Kapitalismus und gehe auch ein bisschen weiter in meiner Kritik als Müntefering. Ich kann Ihnen aber sagen: Wir wollten mit diesem Geld die „Dreigroschenoper“ mit Robert Wilson machen und auch „Faust 1“ und „Faust 2“ von mir und Achim Freyer. Das ist auch immer noch eine Option. Im Moment bilden wir keine Rücklagen, wir geben sie aus. Das Geld schwindet wie der Schnee im Frühjahr.

Sie kamen vom Wiener Burgtheater nach Berlin, aus einer vergleichsweise reichen Stadt. Sie wissen doch selbst, dass die Verhältnisse hier sehr viel ärmer sind. Darauf muss man sich einstellen, oder?

Ich brauche Rücklagen, sonst kommen zwei, drei Flops, und wir sind in den Miesen. Ich musste ja schon meine Jelinek-Aufführung absetzen, das geht im Theater manchmal ganz schnell.

Den armen Mann vom Schiffbauerdamm nimmt man Ihnen aber jetzt nicht mehr ab.

Wir zehren jetzt unsere Rücklagen auf, die wir weise geschaffen haben, was in zwei Jahren ist, weiß ich doch nicht. Ob ich bleibe, ob ich gehe, ob ich vorher gehe. Mein Ehrgeiz ist es, dass der Laden voll ist, dass wir gute Gastspiele abschließen, das ist doch der Sex an der ganzen Sache. Weil wir Gewinne erwirtschaften können in der GmbH. Die Mentalität vieler Leute in diesen subventionierten Kulturbetrieben ist so, dass sie es anrüchig finden, wenn ich von unseren Erfolgen spreche. Ich finde es wichtig zu zeigen: Kunst kann rentabel sein. Ich treibe den Betrieb an den Rand der Ausbeutung, und das ist das Resultat. Unsere Rücklagen waren vielleicht ein wenig hoch, aber ein Rücklagenpolster von vielleicht 1,5 Millionen Euro ist für einen Betrieb wie unseren lebensnotwendig.

Ist es Ihnen angenehm, wenn im Zusammenhang mit dem Berliner Ensemble immer mehr über Geld als über Kunst geredet wird?

Ich habe den Eindruck, dass in Berlin sowieso nicht über Kunst geredet wird. Alle reden nur über Geld, Politiker, Journalisten, alle. Es ist unerträglich. Nicht mehr Hamburg, sondern Berlin ist die Stadt der Pfeffersäcke.

Berlin ist pleite. Sie machen seit Jahrzehnten politisches Theater – verstehen Sie denn nicht, dass in ärmeren Zeiten das Finanzgebaren auch von Kulturbetrieben genauer beobachtet wird?

Im Gegenteil. Je größer die finanziellen Lebensschwierigkeiten der Menschen werden, desto wichtiger wird die Kunst. Man braucht Alternativen, neue Konzepte, Visionen, wenn es einem schlecht geht. Man sehnt sich nach einem „Nathan“ von Lessing, wie lächerlich ist dagegen die Spaß- und Trashkultur geworden! Da bin ich einfach altmodisch.

Das Gespräch führte Rüdiger Schaper.

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