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Kultur: Das Hasenzahnlächeln Drittes Solo-Album, erstes Buch: Adam Green etabliert sich im Mainstream

Es ist sein Mund. Er steht immer ein wenig offen und lässt zwischen den vollen Lippen ein Stück der Schneidezähne erahnen.

Es ist sein Mund. Er steht immer ein wenig offen und lässt zwischen den vollen Lippen ein Stück der Schneidezähne erahnen. Adam Green sieht aus wie ein lasziver Engel, der gerade aus einem wirren Traum erwacht ist. Wenn er dann eine seiner Melodien zu singen beginnt, ist Widerstand zwecklos: Man muss diesen Kerl einfach gern haben. Alle lieben Adam – spätestens seit dem Sommer 2003, als der damals 22-jährige Singer/Songwriter sein zweites Solo-Album „Friends of mine“ (Rough Trade) veröffentlichte. Es war nur eine gute halbe Stunde lang. Doch das reichte, um die Musikpresse in Euphorie zu versetzen. Die Vergleiche reichten von Scott Walker über Jonathan Richman und Leonard Cohen bis zu Frank Sinatra.

Besonders begeistert gefeiert wurde der New Yorker in Deutschland, wo sich von „Bravo“ bis „Spex“ alle auf ihn einigen konnten. Die deutsche Ausgabe des „Rolling Stone“ wählte „Friends of mine“ sogar zum Album des Jahres. Schönheit, Schlichtheit und Ironie machen die Songs von Adam Green so unwiderstehlich. Der hohe Zuckeranteil der Melodien sorgt für Suchteffekte, dennoch driften die von Streichern begleiteten Stücke niemals in den Kitsch ab. Dafür sind die Texte zu bizarr. Mit wilden Assoziationen und witzigen Geschichten gewinnt Green Abstand. Auf „Friends of mine“ singt er unter anderem über Selbstmord, Inzest, Herpes, Anthrax und Nazi-Freunde. Er legt Wert darauf, dass seine Blödeleien zu verstehen sind. So singt er stets artikuliert und mischt seine Stimme nach vorn – auch auf seinem neuen Album „Gemstone“.

Green erzählt von einer pausbäckigen Prinzessin, einem polnischen Bibelclub-Mädchen und einem imaginären Treffen mit George W. Bush. „Carolina“ reimt er selbstverständlich auf „Vagina“. Und weiter: „Her lips taste just like sunk ships/ But her breasts taste just like breakfast“. Oft sind die Texte so sprunghaft, dass man immer neue Absurditäten entdeckt – obwohl die meisten Songs nur um die zwei Minuten lang sind. Musikalisch überrascht das Wunderkind aus Brooklyn mit Wurlitzer-Orgel statt Streichern sowie Lust am Zickzack-Kurs: Kaum ein Song kommt ohne Tempoänderung, Rhythmuswechsel oder Stilbruch aus.

Das Titelstück „Gemstones“ ist eine Achterbahnfahrt, die als Ballade startet, sich zu einer Art Polka entwickelt, dann ein paar Mal bremst, um am Ende einen rockigen Looping zu drehen. Manchmal scheint das Album vor Ideen zu bersten. Es ist, als würde Green herumspringen und rufen: „Schaut, was ich noch alles kann: Blues, Folk, Boogie, Country!“ Diesem Burschen muss man ein paar Angebereien einfach durchgehen lassen, gelingen ihm doch so geniale Stücke wie die countryeske Single „Emily“. Und die größte Überraschung: Green traut sich, ernst zu sein. Im bluesigen „Who´s your Boyfriend“ lässt er Gefühle erkennen – ganz ohne Ironiefilter.

Mit „Gemstones“ entfernt sich Green einen weiteren Schritt von seinen Anfängen in der Anti-Folkszene. Damals trat er mit Kimya Dawson und der gemeinsamen Band Moldy Peaches bei Open-MikeAbenden in New York auf. Eines Abends war Rough-Trade-Chef Geoff Travis im Publikum und nahm sie sofort unter Vertrag. Ihr Debüt „The Moldy Peaches“ von 2001 war eine LoFi-Perle. Heute erinnert nichts mehr an den HomerecordingCharme dieser Zeit. Greens Musik ist perfekt produziert. Der verstrubbelte jüdische Junge, der mit elf seine ersten Songs schrieb, ist vom Underground-Bohemien zum Mainstream-Star gewachsen.

Wie etabliert er ist, zeigt sich auch daran, dass der Suhrkamp-Verlag Ende des Monats ein Adam-Green-Buch in zweisprachiger Ausgabe herausbringt. Das von Thomas Meinecke übersetzte „Magazin“ versammelt das Langgedicht „Flowers of Capitalism“ sowie Texte, die der Musiker früher in selbst kopierten Heften bei seinen Konzerten verkaufte. Wie in seinen Songs blühen darin Wahnwitz, Intelligenz und Obszönität: „Hinter einer Kiste mit anonymen Körperteilen/ Sehe ich Blumenkinder über die Hänge fegen/ Ihr Hasenzahnlächeln delirierend vor Hoffnung“, heißt es etwa in den „Acht Seiten für Allah“. Immer wieder verdichten sich diese aneinander gereihten Ein- bis Dreizeiler zu einem eigenartig triphaften Sound.

Vielleicht gelingt es Adam Green ja, aus seinem Scherz im „Magazin“ Ernst zu machen: „Ich werde das ,Unterwegs’ für meine Generation schreiben. Es wird ,Bleib zu Hause’ heißen.“

„Gemstones“ (Rough Trade) erscheint morgen, „Magazin“ (Edition Suhrkamp) am 26.1. Im Februar ist Adam Green auf Deutschland-Tour

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